Ich packe
meinen Koffer...

Auf Reisen gehen – mit der richtigen Lektüre

In diesem Jahr ist das mit dem Kofferpacken ja gar nicht so einfach: Manche Reisen, die schon lange geplant waren, mussten wegen der Maßnahmen rund um Corona verschoben werden; einige fielen ganz ins Wasser. An der Enttäuschung muss man erstmal knabbern, hätten wir uns doch sicher alle die Ferien- und Urlaubszeit anders vorgestellt.

Doch auch zuhause kann man ganz wunderbar auf Reisen gehen – mit der richtigen Lektüre, die spannende Geschichten aus der Fremde erzählt und an einen anderen Ort entführt! Denjenigen, deren Jahresurlaub nun im Schwarzwald, im heimischen Garten oder einfach nur auf Balkonien stattfindet, wollen wir deshalb hier das ein oder andere Buch nahelegen, mit dem man sich das Gefühl von Freiheit und Abenteuer, den Duft des Meeres oder wärmende Sonnenstrahlen – kurz: ein gewisses Urlaubsfeeling – in die eigenen vier Wände holen kann:

Ganzheitliche Auszeit im Wellness-Resort
Liane Moriarty: "Neun Fremde"

Der sommerleichte Roman von Erfolgsautorin Liane Moriarty (Big Little Lies) erzählt von einem australischen Winter, bei dem man sich ganz entspannt zurücklehnen und dem psychologisch-gewieften Spiel unter Fremden genüsslich verfallen kann. 

In einem luxuriösen Wellnes-Resort treffen fünf Frauen und vier Männer aufeinander. Jeder von ihnen – ob er es zugeben will oder nicht – ist gekommen, um sich zu optimieren. Einige Gäste sind angesichts der ungewöhnlichen Methoden ein wenig renitent, andere hingegen scheinen sich zu denken: Was soll’s, vielleicht bringt es ja was. Die charismatische Gastgeberin stilisiert sich selbst zum Guru und schafft es tatsächlich, ihre skeptischen Gäste ein ums andere Mal zu überzeugen. Doch das böse Erwachen aus dem überirdisch schönen Tagtraum ist unausweichlich …

Wieder einmal stellt Liane Moriarty interessante und greifbare Charaktere vor, legt auf kluge Weise falsche Fährten und holt ihre Leser/innen ganz nahe heran an das Geschehen. Am Ende sind aus den neun Fremden neun Freunde geworden, und man würde nur zu gerne mehr Zeit mit ihnen verbringen.
Rezension auf der Belletristik-Couch

Die Korallenriffe vor La Palma
Mina Baites: "Das Korallenhaus"

Nina Michaelis erhält ein ansprechendes Jobangebot: sie soll während eines halben Jahres rund um die Insel La Palma gemeinsam mit einem Forschungsteam bedrohte Korallenarten erforschen und die Ergebnisse dokumentieren. Dieses Angebot kommt gerade richtig, denn sie hat sich soeben von ihrem Freund Jan getrennt…

In der faszinierenden Unterwasserwelt mit seinen Lebewesen, entsteht ein angenehmes und harmonisches Gefühl, in das man auch auf der heimischen Couch eintauchen kann. Beim Lesen wird klar, dass die Klimaerwärmung und die Umweltverschmutzung des Meeresgrunds wohl Herzensangelegenheiten von Autorin Mina Baites sind. Wer also auch etwas Substanz in seiner Urlaubslektüre sucht, könnte hier fündig werden.

Dennoch handelt es sich um einen unterhaltsamen, leichten Roman mit vielen Informationen zu den bedrohten Korallenriffen – mit einer Portion Lovestory und einer Prise Krimi.
Rezension auf der Belletristik-Couch

Zwei Frauen, eine Geschichte auf Norderney
Sylvia Lott: "Der Dünensommer"

Sylvia Lott schildert den Sommer auf Norderney durch zwei Perspektiven: Die einer Drehbuchautorin im Jahr 2018 und die ihrer damals noch jungen Großmutter im Jahr 1959. Durch Zufall begegnet die Enkelin dem Sohn eines berühmten Fotografen; beide verbindet viel mehr als nur eine Fotografie aus diesen Tagen. In Rückblenden erfahren wir, was wirklich geschah in jenem heißen Sommer 1959…

Für Norderney-Kenner ist das sommerleichte Buch sicherlich eine nostalgische Fundgrube: Viele historische Schauplätze und lokale Geschichten werden von Sylvia Lott in ihrem Roman thematisiert im Zusammenspiel von Natur und menschlicher Wärme durch die eigenwilligen und sympathischen Insulaner - eine schöne Sommerlektüre, die man durchaus mit Spannung verfolgt, denn die Verstrickungen dieser beider Leben sind viel spektakulärer, als man es von den braven 50ern denken mag.
Rezension auf der Belletristik-Couch

Ein Neubeginn in Cornwall
Caroline Grace-Cassidy: "Endlich wieder Meer für mich"

Zuerst Scheidung, dann auch noch eine launische Teenager-Tochter, die sich von der Mama gar nichts mehr sagen lassen möchte: Courtney Downey hat es gerade nicht leicht. Doch ihr Tiefpunkt entpuppt sich als Chance: Sie erhält das Jobangebot ihres Chefs, in Cornwall eine Zweigstelle zu eröffnen - erst einmal nur für den Sommer. Doch wie bringt sie ihre Tochter dazu, dort mit ihr die Sommerferien zu verbringen?

Courtney wird als eine Mutter beschrieben, die ihre eigenen Bedürfnisse stets hinter die ihres Kindes gestellt hat und deshalb gar nicht mehr weiß, wer sie selbst eigentlich ist - eine Achterbahn der Emotionen, die letztendlich im Loslassen resultieren muss. Dieser Reifungsprozess geht ans Herz.

Der Roman feiert die Neuentdeckung des eigenen Ichs, beschwört herrliche Bilder von Cornwalls Küste herauf und zeigt auf locker-leichte Weise, dass es sich auch im Angesicht aller Widerstände lohnt, den eigenen Weg zu finden. Eine empfehlenswerte Ferienlektüre.
Rezension auf der Belletristik-Couch

‚La Dolce Vita‘?
Antonia Riepp: "Belmonte"

Simona reist in das malerische Belmonte, als sie erfährt, dass ihre Großmutter Franca ihr dort ein Haus vererbt hat. Mit ihrer italienischen Abstammung hat sie nicht viel am Hut, geht aber neugierig und unvoreingenommen die Reise an. Dort erfährt sie mehr über die Geschichte Francas und deren Mutter Teresa, die überschattet wird vom großen Krieg, unerwiderter Liebe und einem Geheimnis…

Vier Frauen, die nicht nur eine gemeinsame Abstammung eint, sondern auch eine tiefe Verlorenheit, die sich durch ihre Leben zieht – verbunden in einer Traumvision Italiens. Zeitebenen werden geschickt verwoben, um eine emotional packende Geschichte zu erzählen, die sich durch mehrere Generationen zieht. Hier spürt man nicht unbedingt das süße Leben, sondern vielmehr ein Flair der Leichtigkeit - obwohl die Leben der Protagonistinnen nicht unbedingt leichte waren bzw. sind. Eine spannende Familiensaga, der man Stück für Stück viele Lehren und Geheimnisse entlocken kann.
Rezension auf der Belletristik-Couch

Der Zauber der Erzählung
Thea C. Grefe: "Eine Prise Marrakesch"

Im pulsierenden Zentrum von Marrakesch lassen sich jeden Abend Einheimische wie auch Touristen von den Farben, den Gerüchen und den Geschichten bezaubern – gerade Letztere brauchen schließlich alle Menschen. Handlungsstränge werden gesponnen und auf zarte, überraschende Weise verbunden, bis alles seinen Platz gefunden hat.

Hier weht der Zauber von 1001 Nacht durch die Seiten: Die Autorin nimmt einen mit auf eine Reise der Sinne und lässt einen Eintauchen in einen anderen Kulturkreis, der ihr spürbar sehr am Herzen liegt, denn die Beschreibungen sind detailliert und liebevoll. Der besondere Reiz der Geschichte entspringt der exotischen Atmosphäre Marrakeschs, in die man sich beim Lesen fallenlassen kann. Ein Buch zum Träumen.
Rezension auf der Belletristik-Couch

Manchmal kommt das Leben dazwischen
Heddi Goodrich: "Eine Liebe in Neapel"

Kennen Sie das historische Zentrum von Neapel? Enge Gassen, die kein Sonnenstrahl erreicht; die «bassi», wo einen als Passant/in das Gefühl beschleicht, direkt durch das Wohnzimmer der Bewohner zu spazieren; quer über die Straßen gespannte Wäscheleinen. Genau hier, mitten im Spanischen Viertel, lernen sich Heddi und Pietro kennen und lieben…

Diese Liebesgeschichte ist vor allem eine Liebeserklärung an Neapel! Jeder Satz ist geprägt von einer ganz besonderen Verbundenheit zu diesem Ort und seiner Menschen. Daraus entsteht eine ehrliche, aber innige Intensität, die das eigentliche Herzstück der Geschichte ausmacht. Der Plot zwischen Heddi und Pietro ist dabei eher zweitrangig, doch das tut dem Lesegenuss keinen Abbruch – denn der Roman lässt einen tief eintauchen in Tradition und Alltag des Südens. Ein Muss für Italienfans!
Rezension auf der Belletristik-Couch

Eine Familiensaga auf Malaga
Morten Vittrup: "Das Hotel am Meer"

An einem schönen Frühlingstag im Jahr 1954 wird in Malaga ein geheimnisvoller Mann an Land gespült, der sich als begnadeter Geschichtenerzähler entpuppt. Er gründet eine Familie, eröffnet ein Hotel, und im Laufe der dramatischen Handlung, die das Nachkriegsargentinien sowie das Franco-Regime umspannt, setzt sich langsam aber sicher das Mosaik seiner Vergangenheit zusammen …

Eine Geschichte von einem Mann, der seinem eigenen Glück stets auf die Sprünge hilft und dessen Leben von spannenden Begegnungen mit Persönlichkeiten wie Jorge Luis Borges und Che Guevara geprägt ist. Dieses Buch bietet eine interessante Reise durch die verschiedensten Länder und Zeiten, bei der Fiktion und Historie geschickt gepaart werden und die einen immer wieder hinterfragen lässt: Was ist wirklich passiert, was ist nur Seemannsgarn? Familiengeheimnisse, Lügen und Liebe - wer Urlaubslektüre der etwas substanzielleren Art bevorzugt, findet hier gute Unterhaltung.
Rezension auf der Belletristik-Couch

Am Ende wird alles gut, und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende
Barbara Leciejewski: "Wer, wenn nicht wir"

Viola ist Klarinettistin und unterrichtet an der Hochschule. Sie leidet darunter, von Florian, dessen Job als Unfallchirurg ihm viel abfordert, nicht mehr wahrgenommen zu werden. Das Ehe-Aus scheint logische Konsequenz. Gemeinsam wollen sie eine würdige und einvernehmliche Trennung, allein schon wegen der Kinder. Als Florian eine Wohnung findet und auszieht, scheint sich alles einigermaßen zu fügen - wenn da nicht der nicht stornierbare Urlaub auf Rhodos wäre…

Barbara Leciejewski erzählt ihre Geschichte mit einer gewissen Leichtigkeit und lockert sie durch gut platzierte Situationskomik auf, ohne in Trivialitäten abzurutschen. Die Insel Rhodos und ihre Sehenswürdigkeiten lassen Feriengefühle aufkommen und Schmetterlinge (nicht nur im gleichnamigen Tal) tanzen.
Rezension auf der Belletristik-Couch

Abschalten und Eintauchen in eine lavendelblaue Welt
Pauline Mai: "Das Glück ist lavendelblau"

Für Penelope läuft es im Moment nicht gut: Sie verliert ihren Job beim Theater, ihr Freund Oskar verlässt sie, und nun der Anruf ihrer Schwester aus der Provence, dass ihre geliebte Großmutter Mathilde verunfallt ist. Mathilde betreibt in der Provence eine kleine Pension. Penelope soll einspringen und nach dem Rechten sehen. Obwohl sie sich natürlich um ihre Oma sorgt, passt ihr der Tapetenwechsel sehr gut: Eine Luftveränderung ist gerade richtig, um über alles nachzudenken...

Angenehme Provence-Stimmung, eine liebenswerte Protagonistin mit einem Faible fürs Backen, Familienzwistigkeiten, eine alte und eine neue Liebe: Die Mischung von Autorin Pauline Mai geht auf. Die Geschichte liest sich flüssig und verbreitet beim Lesen eine souveräne Heiterkeit – ein Wohlfühlroman par excellence!
Rezension auf der Belletristik-Couch

Sommerblues vor Traumkulisse
Kirsten Wulf: "Signora Sommer tanzt den Blues"

Laura wagt einen Neuanfang: Sie verlässt Deutschland für Ihre große Liebe Fabio und zieht zu ihm nach Rom. Doch das Schicksal hat andere Pläne: Fabio verstirbt unerwartet. Dann aber drängen sich ganz unverhofft zwei Frauen in Lauras Leben: Fran, eine wohlbeleibte, tätowierte Bluessängerin, die die Nächte zum Tag macht, Männer am laufenden Band verführt und einen Hang zu schrillen Haarfarben und Kinderschokolade hat; und Samy, eine junge amerikanische Studentin mit einer Vorliebe für Social Media, morgendliches Yoga und Ranch-Dressing. Bald werden neue Leidenschaften entdeckt und Freundschaften geknüpft - alles vor der wunderschönen Kulisse der Ewigen Stadt.

Eine hervorragende Sommerlektüre, die uns ins verträumte Rom entführt: alte Gassen, berühmte Monumente, der Geruch von selbst gemachter Lasagne, und eine zeitlose Romantik bestimmen das Ambiente. Das Buch ist gleichzeitig eine Ode an die Bluesmusik und deren immanente Kraft. Manchmal bleibt einem eben nichts anderes übrig, als sich ins Leben zurück zu tanzen.
Rezension auf der Belletristik-Couch

"Ich packe meinen Koffer..." von Yannic Niehr, 07.2020
Foto: istock.com/Eoneren

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Das perfekte Leseumfeld

In ein Buch versinken... sich von Atmosphäre und Spannung mitreißen lassen... die Zeit vergessen... Was ist Euer perfektes Leseumfeld, um einen Roman so richtig genießen zu können? Foto: istock.com/swissmediavision

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