Johanna Swanberg

Johanna Swanberg, geboren 1974, ist Journalistin, Podcasterin und Autorin mit Zeitungs-, Fernseh-, Radio- und PR-Erfahrung. „Sommer ohne Plan“ ist ihr Debütroman. Er stand 2024 auf der Shortlist des „Adlibris Award“ für das beste Debüt des Jahres in Schweden. Ein überaus gelungener Roman über Einsamkeit, aber auch Lebensfreude, Freundschaft, Zuneigung und das Landleben. 

Belletristik-Couch-Redakteur Thomas Gisbertz sprach mit Johanna Swanberg über ihren Debüt-Roman „Sommer ohne Plan“.

"Ich glaube, die meisten von uns haben an dem ein oder anderen Punkt in ihrem Leben davon geträumt, zu tun, was Cassi tut: alles hinter sich lassen und irgendwo anders neu anfangen. Es ist so eine Art geheimer Wunschgedanke."

Belletristik-Couch.de:
Frau Swanberg, Ihr Debüt „Sommer ohne Plan“ war in Ihrer schwedischen Heimat sehr erfolgreich. Was ist das Besondere des Romans aus Ihrer Sicht? 

Johanna Swanberg:
Ich glaube, die meisten von uns haben an dem ein oder anderen Punkt in ihrem Leben davon geträumt, zu tun, was Cassi tut: alles hinter sich lassen und irgendwo anders neu anfangen. Es ist so eine Art geheimer Wunschgedanke. 

Belletristik-Couch:
Die angesehene Restaurantmanagerin Cassi lässt aus privaten Gründen das Stadtleben hinter sich und wagt einen spontanen Neuanfang auf dem Land. Was zeichnet diese Figur aus?

Johanna Swanberg:
Cassi ist Perfektionistin, die von sich selbst – und für sich selbst – stets nur das Beste erwartet. Als das Leben, das sie sich aufgebaut hat, nicht so ist, wie sie es sich vorgestellt hatte, kappt sie ihre Verbindung dazu. Flucht ist für sie die einzige Option. Sie kauft eine abgelegene Hütte, um dort allein mit ihrem Hund zu leben. Ich würde sie als einfallsreich und kreativ beschreiben. Sie ist bereit, alle Probleme anzupacken, die ihr unterkommen, außer ihrer eigenen. Mit fast jedem in ihrem Umfeld hat sie Stress, doch sie will sich dem einfach nicht stellen. Gleichzeitig hat sie keine Schwierigkeiten damit, anderen zu sagen, was sie tun und lassen sollen. Sie ist selbstsüchtig und großzügig, schlau und dumm, logisch und chaotisch, impulsiv und nachdenklich – eben so wie die meisten! 

Belletristik-Couch.de:
Sie greifen in Ihrem Roman zahlreiche aktuelle Tendenzen, wie den immer größer werdenden Wunsch nach privatem Erfolg und gesellschaftlicher Anerkennung - auch durch Social Media - auf. Gleichzeitig geht das Miteinander und die soziale Nähe immer mehr verloren. Lieben die Dorfbewohner Cassi vor allem, weil sie ihnen einfach zuhört und für sie da ist?

Johanna Swanberg:
Ich glaube, instinktiv wollen wir anderen Leuten vertrauen. Wir wollen glauben, dass sie wissen, wovon sie reden und was sie tun. Cassi ist ein Neuankömmling, und denen gegenüber können Menschen anfangs skeptisch sein, aber da die meisten der Dorfbewohner keinen Grund haben, an ihr zu zweifeln, entscheiden sie sich fürs Vertrauen. Und weil sie es zu schätzen wissen, dass Cassi sich Zeit für sie nimmt und mit den Ratschlägen und Weisheiten, die sie anzubieten hat, etwas anfangen können, fällt es ihnen leicht, sich auf sie einzulassen.

Belletristik-Couch.de:
Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere am Landleben im Vergleich zum Stadtleben?

Johanna Swanberg:
In der Stadt kann man einfach in der Menge verschwinden und sich vor anderen verstecken. Auf dem Land gibt es weniger Menschen. Man sieht einander häufiger auf der Straße, trifft sich im Supermarkt, kennt die Freunde und Bekannten. Man weiß dort schnell mehr über die eigenen Nachbarn – oder glaubt es zumindest zu wissen! Aber seit es das Internet gibt, haben sich die beiden Lebensstile angeglichen. Wo wir auch gerade sind, wir haben alle Zugang zu den gleichen Ressourcen und Informationen. Abgeschieden zu leben bedeutet nicht mehr, keinen Anschluss zu haben. Es ist eher eine Frage persönlicher Vorlieben. 

Belletristik-Couch.de:
Der Roman enthält zahlreiche humorvolle Episoden, aber auch leise, nachdenklich stimmenden Momente. Ich denke da besonders an ein sehr bewegendes Kapitel über Pavel gegen Ende des Romans - das einzige, in dem Cassi nicht im Mittelpunkt steht. Was fiel Ihnen leichter: die unterhaltsamen, lustigen Szenen zu schreiben oder die, die unter die Haut gehen?

Johanna Swanberg:
Die lustigen Szenen waren leichter, aber das Kapitel über Pavel, das Sie meinen, hat sich auch fast von selbst geschrieben. Es kam sehr organisch zustande und ich habe es nach dem ersten Entwurf kaum geändert.

Belletristik-Couch.de:
Gibt es eine Figur, die Ihnen beim Schreibprozess besonders nahegekommen ist, vielleicht auch, weil sie sich anders entwickelt hat als geplant?

Johanna Swanberg:
Ganz klar Pavel. Als ich mit dem Buch angefangen habe, hatte ich eine solche Figur nicht geplant. Dann schrieb ich eines Tages eine Szene mit Cassi im Auto, und plötzlich kam er einfach herangefahren, aus heiterem Himmel. Und erst an dem Punkt wusste ich, dass ich da wirklich eine gute Geschichte habe. Pavel hat alles verändert, für Cassi und für mich :)

Belletristik-Couch.de:
Wenn Sie anstatt Cassi mit einem der Dorfbewohner aus Ihrem Roman eine improvisierte Therapiesitzung machen dürften, wer wäre dies und aus welchem Grund? Was würden sie mit dieser Person machen?

Johanna Swanberg:
Ich würde gerne in Berzans Kopf eintauchen. Er ist freundlich und jedem gegenüber aufgeschlossen, sucht ständig nach Bestätigung, Liebe und Glück. Seine ungelösten Mutterkomplexe zu beleuchten, könnte interessant sein. 

Belletristik-Couch:
Sie schreiben aktuell an einem neuen Roman. Können Sie schon etwas darüber verraten? Und wird es vielleicht irgendwann einmal ein Wiedersehen mit Cassi geben?

Johanna Swanberg:
In dem neuen Buch geht es um eine höfliche, umgängliche und zurückhaltende Frau, die plötzlich in eine Lebenskrise gerät. Ich verbringe scheinbar gerne Zeit mit Frauen am Rande des Zusammenbruchs! Das Buch ist sowohl lustig als auch ein bisschen traurig, genau wie ”Sommer ohne Plan”, und es wird in Schweden nächstes Jahr erscheinen. Ich hoffe, dass es auch die deutschen Leser erreicht! Im Moment habe ich nicht vor, zu Cassi zurückzukehren, aber wer weiß. Vor gerade ein paar Jahren dachte ich nicht einmal, dass ich ein Buch schreiben könnte, also habe ich jetzt das Gefühl, dass alles möglich ist! 

Das Interview führte Thomas Gisbertz im Mai 2025. Übersetzung Yannic Niehr.
Foto: © Karl Nordlund

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