The Crown - Staffel 3

Serien-Kritik von Lea Gerstenberger / Titel-Motiv: © Des Willie / Netflix

Royals leben einsam

Es fällt nicht schwer, in Elizabeth II. eine Konstante des 20. Jahrhunderts zu sehen. In ihrer nunmehr 68 Jahre andauernden Amtszeit hat sie nicht weniger als 13 US-Präsidenten und 14 britische Premiers (Stand: Juli 2020) gesehen, mit ihrer 1953 live übertragenen Krönung Fernsehgeschichte geschrieben und politische Umbrüche ebenso erlebt wie familiäre Tragödien. Die Queen in ihrer vordergründig repräsentativen Rolle ist eine zeitgeschichtliche Ikone, sodass der Erfolg der seit 2016 bei Netflix laufenden Serie „The Crown“ nicht verwundert. Die dritte Staffel markiert allerdings einen Umbruch: Die Royal Family ist in den 60er-Jahren angekommen und viele Rollen werden neu besetzt, da auch die Blaublüter nicht vor dem Altern gefeit sind. Elizabeth, bisher überzeugend von Claire Foy gespielt, wird von Olivia Colman übernommen, Tobias Menzies verkörpert fortan Ehemann Philip (bisher: Matt Smith). Alte Qualität in neuer Besetzung - kann das funktionieren?

Die ersten beiden Staffeln erzählen von einer jungen Königin, die im England der Nachkriegszeit ihre extraordinäre Rolle und ihr Familienleben unter einen Hut bringen muss. Politische Skandale mischen sich mit Auseinandersetzungen innerhalb der Familie, vor allem den Eskapaden der jungen Princess Margaret (Vanessa Kirby) und dem Freiheitsdrang von Prince Philip. Die Handlungsmacht der Königin ist dabei oft begrenzt, die Potenziale ihrer Rolle kann sie nur in der Repräsentation umsetzen: Etwa bei dem Versuch, das Commonwealth im Zuge der Dekolonisation zusammenzuhalten, oder dem Charme-Wettbewerb mit der First Lady Jackie Kennedy beim Staatsbesuch des US-Präsidenten. Über allem zu stehen, ist nicht immer einfach.

Der Fels in der Brandung zweifelt an sich selbst

Diese Erkenntnis setzt sich in der dritten Staffel von „The Crown“ fort. Als Königin wird Elizabeth dafür gelobt, Beständigkeit und Stabilität zu verkörpern. Nicht selten kollidiert dieses Ideal mit dem Selbstbild einer Frau, die ihr Auftreten kontinuierlich unter Kontrolle haben muss und sich dabei manchmal ein bisschen langweilig findet. Aber sie hat einen außergewöhnlichen Job zu machen und die Pflicht kommt nun einmal zuerst. Dass sie dies auch ihren Familienmitgliedern abverlangt, lässt sie bisweilen streng und empathielos wirken – weniger zugänglich als die jüngere Version in Gestalt von Claire Foy.

Den eindeutigen Kontrast dazu bildet wieder die Skandalnudel des Hauses: Princess Margaret (überzeugend und nuanciert: Helena Bonham Carter) tritt immer dann glamourös, umschwärmt und im Zentrum der Aufmerksamkeit auf, wenn sich Elizabeth gerade besonders „dull“ fühlt. Sie kann das Protokoll zugegebenermaßen aber auch einfacher hinter sich lassen, und die Serie macht keinen Hehl daraus, dass die königliche Schwester um ihre eigenen Probleme keineswegs zu beneiden ist. Wobei in der Royal Family niemand zu beneiden ist und sich der Zuschauer bisweilen fragt, ob eigentlich irgendeines ihrer Mitglieder diesen Job gerne macht. Während sie im Ausland Rennpferde besichtigt, gibt die Queen selbst zu, dass sie mit einem Leben als Pferdezüchterin vielleicht glücklicher geworden wäre. Mit der privaten Reise erlaubt sie sich einen seltenen Ausbruch aus dem königlichen Alltag und eine ungewöhnlich intime Reflexion ihrer selbst.

Was ist Glück in einer Rolle, die keinen Platz für Persönlichkeit lässt?

Im Gegensatz zu den vorigen Staffeln wird die dritte in relativ abgeschlossenen Episoden erzählt, wobei die Queen nicht immer im Vordergrund steht. Viele Folgen verarbeiten konkrete historische Ereignisse, beispielsweise die Suche nach einem KGB-Spion im Buckingham Palace, Princess Margarets Reise in die USA oder die Bergbau-Katastrophe von Aberfan. Dabei spekuliert die Serie durchaus über das Innenleben der Royals und die Sinnfragen, die sie umtreiben. Da muss etwa Prince Philip erkennen, dass die von ihm so bewunderten Apollo-11-Piloten doch nur ganz gewöhnliche junge Männer sind oder dass er seine innere Ruhe nur findet, wenn er sich mit seiner exzentrischen Mutter versöhnt.

Dass die Royal Family allerdings niemals eine gewöhnliche Familie sein wird, beweist der ungeschickte Versuch, mit einer TV-Dokumentation und privaten Einblicken neue Sympathien zu gewinnen. Das geht nach hinten los – die Bevölkerung will keine größere Nahbarkeit auf Kosten des royalen Nimbus. Auch in der Realität floppte die Homestory, bis heute darf der Film nur zu Forschungszwecken mit Sondergenehmigung eingesehen werden.

Eine neue Generation wächst heran – und bringt Konfliktpotenzial mit

Gerade bei der Frage nach der Selbstdarstellung zeichnet sich ein Generationenkonflikt ab: Prince Charles und Princess Anne, die beiden ältesten Sprösslinge der Königin (Andrew und Edward kommen in der Serie nicht vor), sind zu jungen Erwachsenen geworden. Vor allem Anne hat ihren eigenen Kopf und scheut sich nicht, ihr Selbstbewusstsein einzusetzen. Charles dagegen wird als introvertierter, unsicherer und bisweilen fast verlorener junger Mann gezeigt. Eine innige Beziehung zu seinen Eltern hat er nicht, im sozialen Umgang fehlt es ihm an Feingefühl – er ist zu abgeschottet aufgewachsen. Seine persönlichen Überzeugungen muss er erst finden. Die Episode, die sich seiner Einsetzung als Prince of Wales widmet, ist eine der stärksten der Staffel. Charles weicht von der vorgefertigten Rede ab, verleiht ihr eine emotionale Note und bekommt prompt die Quittung von der Königin: Wer Position bezieht, macht sich angreifbar. Was er denkt, zählt nicht, darf nicht nach außen dringen. Kein Wunder, dass Charles sich von der jungen Camilla Shand angezogen fühlt, die das Herz auf der Zunge trägt und sich nicht darum schert, was andere davon halten. Eine Beziehung, die nicht den Vorstellungen der Krone entspricht. Hier wird der Grundstein für die Konfliktlinien gelegt, die voraussichtlich die vierte Staffel beherrschen werden.

Die einzelnen Folgen führen eher schlaglichtartig durch ein ganzes Jahrzehnt, zwischen den konkreten Ereignissen liegen mitunter Jahre. Nur selten nehmen die einzelnen Folgen aufeinander Bezug, sodass die Zuschauer sich die übergeordneten Zusammenhänge und politischen Hintergründe selbst erschließen müssen. Der rote Faden wird anhand der Frage hergestellt, wie die Angehörigen der königlichen Familie mit ihrer Rolle umgehen und wie es um ihre Wahrnehmung in der (medialen) Öffentlichkeit bestellt ist. Eine stringente Entwicklung, die man im Lauf der ersten Episoden noch vermisst hat, wird gegen Ende überzeugender aufgezeigt.

Fazit:

Die Sorge, mit den neuen Darstellern in „The Crown“ nicht warm zu werden, löst sich bereits in der ersten Folge auf: Die Charaktere bleiben lebendig und werden treffend verkörpert. Der episodenhaft-erzählerische Ansatz bereitet dagegen Schwierigkeiten, weil die langfristigen Folgen mancher Ereignisse nicht aufgegriffen werden. Da hätte es gerne mehr Tiefe, mehr Zusammenhang geben dürfen. Die zweite Hälfte der dritten Staffel holt die Zuschauer in dieser Hinsicht aber wieder besser ab und legt den Zündstoff an, auf den man sich in der vierten Staffel freuen darf. Damit ist die rundum hochwertige Produktion in jedem Fall empfehlenswert. Entgegen der ursprünglichen Ankündigung, dass nach der fünften Staffel Schluss sei, soll nun doch noch eine sechste folgen. Die aktuelle Erzählung markiert also erst eine Halbzeit: Die Geschichte der Royal Family ist noch lange nicht am Ende.

"The Crown" bei Netflix

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