Arno Frank

Autor Arno Frank ist Publizist und arbeitet als freier Journalist vor allem für den SPIEGEL, die taz und den Deutschlandfunk. Er lebt mit seiner Familie in Wiesbaden. Zuletzt erschien von ihm bei Klett-Cotta der Roman „So, und jetzt kommst du“ (2017), der auf autobiographischen Erfahrungen seiner Kindheit und Jugend basiert.

"Als Journalist schreibe ich so viel, dass ich selten zum Schreiben komme. Kann ich das ohne den inneren Drang, etwas Selbsterlebtes zu erzählen?"

Belletristik-Couch-Redakteur Thomas Gisbertz sprach mit Arno Frank über seine Freibaderinnerungen, die Gründe für seinen neuen Roman und das Besondere der Erzählung.

Belletristik-Couch.de:
Herr Frank, was ist Ihre schönste Freibaderinnerung?

Arno Frank:
Weil ich das Freibad nie zur sportlichen Ertüchtigung benutzt habe, werden es wohl zerlesene Sommertage gewesen sein. Mit einem Buch unter einem Baum liegen, das Platschen und Plätschern im Ohr. Mit dem Handtuch dem Schatten folgen. Ein Lob des Dösens. Was noch? Das Herumlungern auf dem Zehnmeterturm in der Waschmühle bei Kaiserslautern in meiner gelbschwarz gestreiften Badehose. Der Zehner war immer nur für eine bestimmte Zeit geöffnet, dann hängte der Bademeister wieder das „Gesperrt“-Schild unten an die Leiter, und oben mussten alle springen. Vor diesem Sprung muss ich mich eines Tages wohl zu lange gedrückt haben, sodass über Lautsprecher freibadweit die Ansage machte: „Alle runter da oben, jetzt! Auch der Typ mit der Biene-Maja-Hose!“.  Damals war mir das peinlich. Heute hätte ich gerne wieder eine gelbschwarz gestreifte Badehose, finde aber keine.

Belletristik-Couch.de:
Der Mikrokosmos Freibad ist vielleicht einer der wenigen Orte, an dem alle gleich sind und jeder sein kann, wie er will. Macht dies für Sie auch den besonderen Reiz des Freibades aus?

Arno Frank:
Mit Hemd und Hose ziehen wir dort sozusagen auch den sozialen Status aus. Das hat wirklich etwas Egalitäres, für das es in unseren Gesellschaften sonst nur sehr wenige Orte gibt. So gesehen ist das Freibad ein utopischer Raum. Aber ganz beiläufig, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Vielleicht ist es deshalb auch ein Raum, zu dem gesellschaftliche Konflikte in der Regel keinen Zutritt haben. Politik findet nicht statt, bestenfalls nicht einmal Körperpolitik.

Belletristik-Couch:
Sie haben nach Ihrem erfolgreichen autofiktionalen Debütroman „So, und jetzt kommst du…“ lange überlegt, ob Sie nochmals einen Roman schreiben wollten. Warum haben Sie sich jetzt dazu entschieden?

Arno Frank:
Weil ich wissen wollte, ob das geht. Ob ich in der Lage bin, mit einer fiktiven Geschichte zu unterhalten. Aufmerksamkeit, und sei es auch nur ein paar Stunden, ist etwas sehr Kostbares. Und Lesezeit ist auch Lebenszeit. Als Journalist schreibe ich so viel, dass ich selten zum Schreiben komme. Kann ich das ohne den inneren Drang, etwas Selbsterlebtes zu erzählen? Bekomme ich da etwas Literarisches aufgespannt, in dem ich mich gerne aufhalte? Auf diesen Versuch habe ich es ankommen lassen.  

Belletristik-Couch.de:
Ihr Roman spielt an nur einem einzigen Sommertag im Freibad. Welchen Grund gab es, sich für diese nahezu kammerspielartige Atmosphäre zu entschieden?

Arno Frank:
Genau diese Beschränkung. Ein begrenzter Raum, eine begrenzte Zeit. „So, und jetzt kommst du“ überspannt halb Europa und zwei Jahre. Für „Seemann vom Siebener“ wollte ich einen gegenteiligen Ansatz.

Belletristik-Couch.de:
„Seemann vom Siebener“ erscheint mir wie ein Roman zwischen den Zeiten. Es geht nicht nur um Vergangenes und das Gestern, sondern auch Veränderung und den Mut, mit Vergangenem abzuschließen. Würden Sie dem zustimmen?

Arno Frank:
Das klingt schön, da stimme ich gerne zu. Erzählerische Absicht war das aber nicht. Ich habe meine Figuren angelegt und angeordnet, und dann habe ich sie laufen lassen. Was sie im Fortgang der Geschichte antreibt und umtreibt, hat mich manchmal selbst überrascht. Das sind dann die erstrebten Momente, in denen ich kein Puppenspieler bin, sondern „es“ sich sozusagen von selbst weiterschreibt.

Belletristik-Couch.de:
Sie lassen in dieser kleinen Welt Ihre Figuren zufällig aufeinandertreffen, sich im Vorbeigehen begegnen, wie Tauben im Gras. Allen gemeinsam sind aber ihre Erinnerungen und Sehnsüchte. Wenn Sie selber eine Figur in diesem Roman wären, wie würde diese aussehen?

Arno Frank:
Ursprünglich wollte ich mich selbst komplett aus der Geschichte heraushalten. Das war natürlich illusorisch. Als Herr des Geschehens sollte ich vielleicht der Bademeister sein. Am Ende aber hatte ich zu akzeptieren, dass ich in all diese Figuren eingesickert bin, mehr oder weniger, was mich selbst beschäftigt – vom Kind bis zur Greisin, von den Halbstarken bis zu Renate an der Kasse. Hätte ich selbst einen Auftritt, dann nur als Nebenrolle als „der Typ in der Biene-Maja-Hose“.

Belletristik-Couch.de:
Am Ende muss ich natürlich die Frage stellen - und hoffen, dass Sie sie mit „Ja“ beantworten werden. Wird es einen weiteren Arno-Frank-Roman geben?

Arno Frank:
„Arno-Frank-Roman“ klingt wieder sehr schmeichelhaft, als wäre das ein eigenes Genre. Da stimmte ich wieder gerne zu, weiß es aber nicht. Meine Analogie wäre die Musik. Für ein Debütalbum hat man im Prinzip sein Leben lang Zeit gehabt. Als „schwierig“ gilt das zweite Album, da habe ich nun eine EP vorgelegt. Der nächste Schritt wäre dann das psychedelische Doppel-Konzeptalbum mit aufklappbarem Cover. Irgendwas, woran man eigentlich nur scheitern kann – was aber den Versuch wert gewesen sein sollte. Also „Ja“.   

Das Interview führte Thomas Gisbertz im April 2023.
Foto: © Bernd Hartung

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