Aus einer ungewöhnlichen Perspektive eindrücklich erzählt, ist ein unerwartet realistisches Bild entstanden.
Für seinen Roman «Der Barmann des Ritz» hat Philippe Collin einen besonderen Einstieg gewählt. Bereits mit den ersten Zeilen entführt er die Lesenden ins besetzte Paris. Die französische Hauptstadt war vom 14. Juni 1940 bis zum 25. August 1944, also 1533 Nächte lang, von den Deutschen besetzt. Genau diese Zeitspanne nutzt Collin, um von dieser aussergewöhnlichen Zeit zu erzählen. Eine Zeit, in der das Hotel Ritz zu einem Paralleluniversum inmitten von Intrigen, Terror und einem Rest von Glamour wird.
Vom beliebten Treffpunkt zur Schaltzentrale
Während die Menschen rund um das Grand Hotel Ritz immer mehr in Resignation versinken und Lebensmittel zur Rarität werden, wird im Ritz gefeiert, als ob es kein Morgen gäbe. In dieser Scheinwelt bewegt sich Frank Meier, der Barmann. Er ist in Österreich in ärmlichen Verhältnissen geboren. Als junger Mann ging er nach Amerika, wo er in New York seine Ausbildung zum Barmann absolvierte. Nach einigen Jahren kehrte er nach Europa zurück und begann im Jahr 1921 im Grand Hotel Ritz zu arbeiten.
Der Ruf des Ritz ist legendär. Viele Berühmtheiten verkehren im ersten Haus am Platz. Und alle kennen Frank Meier, den Barmann des Ritz. Sein Gespür für Menschen, seine Diskretion und sein Können an der Bar sind sein Kapital. Genau diese Eigenschaften helfen ihm zunächst während der Besatzungszeit. In dieser Zeit wird das Grand Hotel zur Herberge der mächtigsten Nazis. Für Frank Meier beginnt eine gefährliche Gratwanderung. Er ist selbst Jude und verhilft jüdischen Mitmenschen zur Flucht, wobei er ständig die Angst hat, entdeckt zu werden. Je länger der Krieg dauert, desto mehr entwickelt sich jeder Tag zu einer Zitterpartie.
Zwischen Geschichte und Fiktion
In seinem Debütroman verarbeitet Philippe Collin sowohl historische, als auch fiktionale Elemente zu einer einzigartigen Biografie. Vordergründig steht Frank Meier im Mittelpunkt. Gleichzeitig erzählt Collin von der Besetzung Paris’ durch die Nazis zwischen Juni 1940 bis August 1944. Er richtet dabei sein Augenmerk in erster Linie auf die menschliche Seite. Da ist einerseits der Barmann, der sich in der Welt des Glitzers und des Glamours zu bewegen weiss, dabei aber zwischen die Fronten gerät.
«Der Barmann träumt von Grandezza, doch sein überzogener Ehrgeiz hat ihn nur innerlich zugrunde gerichtet.»
Der Autor zeigt aber auch die Gegenseite, indem er die Befehlshaber der SS in einem anderen Licht darstellt, ohne dass je Zweifel darüber bestehen, was sie Schreckliches zu verantworten haben. Collin zeichnet das Bild von Menschen mit Herz, Selbstzweifel und Furcht.
In jeder Zeile dieses Romans sind die geübte Feder des Journalisten und das Wissen des Historikers zu spüren. Philippe Collin beschreibt die Menschen in einer ungewöhnlichen Umgebung und in Ausnahmesituationen. Sein Blick für aussagekräftige Details unterstreicht die Erzählung auf eindrückliche Weise. So sind die schleichenden Veränderungen im Verhalten der Menschen während der Besatzung sehr gut zu erkennen, was die Spannung steigert. Der Wunsch, zu erfahren, wie es weitergeht, wird immer drängender.
Der Roman ist aus einer etwas distanzierten Sicht geschrieben, wird aber durch die fiktiven Tagebucheinträge von Frank Meier greifbar. Gewisse Sequenzen wiederholen sich und verstärken die Dramatik. Auch wenn diese Mischung grundsätzlich passt, ist es manchmal ein wenig zu viel. Abgesehen davon ist es Collin gelungen, die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln darzustellen. Sowohl die deutsche, als auch die französische Sichtweise auf das Geschehen ist erkennbar. Es sind Sätze wie dieser, der alles beschreibt und alles beinhaltet:
«Kaum fünftausend Seelen bleiben in ihren Häusern verbarrikadiert, und ausser den Gerüchten kommt alles zum Erliegen.»
Fazit
Es ist die Wahrnehmung des Drahtseilaktes, den die Menschen im Grand Hotel Ritz leisten mussten, die so viel Respekt einfordert. Philippe Collin ist es bestens gelungen, diese Scheinwelt zu beschreiben und dennoch das Menschliche in diesem Drama hervorzuheben. Es ist diese Mischung aus Verstörung, Anspannung und Barleben, die zurückbleibt und die diesen Roman zu etwas Besonderem macht.



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