Palais Heiligendamm: Ein neuer Anfang

  • Lübbe
  • Erschienen: Oktober 2020
  • 2

- Bd. 1

- Broschur, 576 Seiten

Palais Heiligendamm: Ein neuer Anfang
Palais Heiligendamm: Ein neuer Anfang
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Alexandra Hopf
911001

Belletristik-Couch Rezension vonAug 2021

Packende Familiengeschichte und der Wandel der Zeit

1912 eröffnet die Berliner Hoteliersfamilie Kuhlmann ihr traumhaftes Palais Heiligendamm in Doberan. Es befindet sich in unmittelbarer Nähe zum bereits etablierten Grand Hotel. Ziel ist es, diesem mit der Zeit den Rang abzulaufen und selbst erste Adresse an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns zu werden. Vater Heinrich führt das Palais sehr traditionsbewusst. Sein jüngerer Sohn Paul ist zweiter Hotelchef, obwohl ihm das Gewerbe nicht unbedingt liegt. Der sensible junge Mann würde sich viel lieber der Musik widmen, und auch im privaten Bereich ist er mit sich selbst beschäftigt. So muss er zunehmend erkennen, dass er sich wohl eher von Männern angezogen fühlt. Ganz anders seine Schwester Elisabeth: Sie hat einen ungemein guten wirtschaftlichen Sachverstand und viele innovative Ideen. Doch ihre Eltern sind sehr bedacht auf Etikette und wollen es der jungen Dame keineswegs erlauben, in der Geschäftsleitung mitzuwirken. Leider gerät das Hotel bereits im ersten Jahr in finanzielle Nöte und Heinrich Kuhlmann ist gezwungen, einen Teilhaber mit ins Boot zu holen. Von nun an wird der junge, sympathische Julius Falkenhayn in der Hotelführung mit von der Partie sein. Er gibt viel auf die Ideen der modern eingestellten Elisabeth und bezieht sie immer mehr in die Geschäfte mit ein. Und auch privat ist er von der jungen Kuhlmanntochter fasziniert - sehr zum Ärger von Elisabeths Mutter, die auf standesgemäße Verbindungen achtet. Während das Hotel einen Aufschwung erlebt, spitzt sich  die politische Lage rasant zu. Der Erste Weltkrieg bricht aus und wird alles unwiederbringlich verändern ...

Vielversprechender Auftakt der Familiensaga

Michaela Grünig gelingt es, den Leser mit ihrem Auftaktband um die Geschichte des Palais Heiligendamm zu fesseln. Auf fast 600 Seiten und über einen Zeitraum von rund sechs Jahren erzählt sie von den Anfängen des Palais und der Familie, die hinter dem Hotel steht. Dabei findet ein entscheidender Wandel statt: Während es im ersten Teil des Buches wirklich hauptsächlich um das Hotel und die mitwirkenden Charaktere geht, fließt im zweiten Teil etwas mehr geschichtlicher Hintergrund mit ein. Schonungslos wird dem Leser das Grauen vor Augen geführt, welches der Este Weltkrieg mit sich brachte. Auch wenn viele Menschen und junge Männer anfangs euphorisch in den Krieg zogen, können wir gebannt verfolgen, wie sich das Blatt wendet. Dennoch ist das Hotel stets im Mittelpunkt der Erzählung.

Das Buch bleibt durchgehend spannend. Die bildhaften Beschreibungen und der angenehme Schreibstil lassen den Leser komplett in den Roman abtauchen. Man verfolgt das Geschehen und sieht das Beschriebene vor seinem inneren Auge. Die unterschiedlichen Erzählperspektiven tragen zum abwechslungsreichem Lesevergnügen bei.

Haupt- und Nebencharaktere können überzeugen

Die Protagonistin Elisabeth ist ihrer Zeit voraus. Ihre Person zeigt, wie schwer es damals Frauen hatten, sich in einer von Männern dominierten Geschäftswelt durchzusetzen. Sie wirkt  stellenweise sehr hart und abgeklärt. Doch trotz all ihrer Stärke kann man einen weichen und verletzlichen Kern erahnen. Ihr männliches Pendant, Julius Falkenhayn, lässt den Leser erst schwanken und im Dunkeln tappen. Man weiß zunächst nicht, was man von ihm halten soll. Dann aber erkennt man einen grundsoliden, ehrlichen und sehr sympathischen Charakter. Doch auch die  Personen, die eher in Nebenrollen auftauchen, wie etwa das Stubenmädchen Minna oder der Chefkoch Herr Brandmüller, können überzeugen und erzählen im Hintergrund ihre eigene Geschichte.

Anhand der Figur des Paul Kuhlmann wagt sich die Autorin an ein brandheißes Thema, nämlich den Umgang mit Homosexualität. Da es zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch als Straftat verfolgt wurde, war es für Menschen mit dieser Neigung ein ständiges und belastendes Versteckspiel. Das Vorkommen der in der Geschichte verankerten Spanischen Grippe lässt zudem Parallelen zum aktuellen Corona-Geschehen zu.

Fazit

Absolute Leseempfehlung und für Liebhaber von Familiensagen ein Muss! Der Cliffhanger am Ende und viele offene Fragen lassen den Leser den zweiten Teil ungeduldig herbeisehnen.

Palais Heiligendamm: Ein neuer Anfang

Michaela Grünig, Lübbe

Palais Heiligendamm: Ein neuer Anfang

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