Der Schlüssel

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 1961
  • 0
  • Tokio: Chuo Koron Sha, 1956, Titel: 'Kagi', Originalsprache
  • Köln: Kein & Aber, 2016, Seiten: 192, Übersetzt: Gerhard Knauss und Sachiko Yatsushiro
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1999, Seiten: 123
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1961, Seiten: 243
Der Schlüssel
Der Schlüssel
Wertung wird geladen
Sebastian Riemann
811001

Belletristik-Couch Rezension vonJun 2017

Verborgene Absichten

Die Ehe ist eine strenge Einrichtung, sie hält vielerlei Pflichten für beide Ehepartner bereit und verlangt von ihnen, das Eigene und Innere des Öfteren zurückzustellen, da das Gemeinsame in der Ehe viel Bedeutung und Gewicht hat. Das Verhalten muss an die Situation angepasst werden, muss sich den allgemeinen Regeln beugen und sich an den Besonderheiten des Anderen orientieren. Dabei kann viel Persönliches unter die Räder kommen. Der Charakter kann in Lagen gezwungen werden, die ihm eigentlich nicht entsprechen und die ihn auf Dauer großes Unwohlsein bereiten, weshalb er sich später zum Ausbruch genötigt sieht. Veränderungen im Laufe der Jahre können plötzlich bereut werden und zu Gegenreaktionen führen, zu aggressiven und feindseligen Handlungen gegen den Ehepartner, der doch eigentlich geliebt und geschätzt wird. Die Ehe versucht ein Tier zu bändigen, das oft zahm und biegsam ist, manchmal aber auch rachsüchtig und unnachgiebig.

Ein besonderes Problem ist dabei die Unfähigkeit über Probleme zu sprechen, das Eigene und Innere zum Thema zu machen, während der gemeinsame Alltag mit viel Sicherheit und Selbstverständlichkeit weiterläuft. Jeder Partner ist dann mit seinen Sorgen und Aggressionen allein, badet sich mitunter in ihnen und lässt sie wachsen, ohne der Welt von ihnen zu berichten. Zwei Einzelkämpfer machen dann die Ehe aus und suchen nach Wegen, eigene Ziele zu erreichen oder auch dem Anderen Schaden zuzufügen.

Der Schlüssel erzählt eine Geschichte mit zwei Stimmen. Es ist die Geschichte einer Ehe, in der es nur noch alltägliche Kommunikation gibt, in der keine schwierigen Themen angesprochen und verhandelt werden. Die Beziehung funktioniert an der Oberfläche, da beide Ehepartner sich an die Regeln halten, das machen, was von ihnen erwartet wird. Der Mann arbeitet viel und kehrt am Abend erschöpft nach Hause. Die Frau leitet den Haushalt und sorgt für das Wohlergehen des Mannes.

Die zwei Stimmen sind die Tagebücher der beiden Ehepartner. Jeder schreibt für sich ein Buch, in dem er die Ereignisse, aber auch die Gedanken bezüglich der ehelichen Probleme festhält.

Das Problem der scheinbar funktionierenden und wenig besonderen Ehe ist der Sex. Darüber können die beiden nicht sprechen. Sie haben Angst, sich selbst oder den anderen bloßzustellen. Außerdem ist das Thema den beiden nicht gelegen, da sie aus konservativen Elternhäusern kommen und nicht mit Freiheit über dergleichen sprechen können. Sexuelle Angelegenheiten sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und auch nicht für die Ohren des Ehepartners. Zumindest nicht, wenn es sich um Probleme handelt. In solchen Belangen ist dann jeder auf sich gestellt und muss sein eigenes Auskommen suchen.

Die Tagebücher der beiden sind der Versuch miteinander zu kommunizieren. Da sie das schwierige Thema nicht direkt und offen ansprechen können, schreiben sie Tagebuch, um sich überhaupt die Sorgen von der Seele zu nehmen, sie zu teilen. Das Tagebuch hört zu, ihm können sie sich anvertrauen. Aber es ist noch mehr. Die Eintragungen sind nämlich nicht nur für die einsame Dunkelheit des Buches gedacht. Sie sollen nicht zwischen den Buchdeckeln für die Ewigkeit fernab der Ehe aufbewahrt werden. Die Ehepartner haben noch andere Absichten. Ganz andere Absichten als man erwarten würde. Sie wollen, dass der andere ihr Tagebuch liest.

Der Mann erklärt sich in seinen Ausführungen, erklärt seine Sorgen bezüglich der eigenen sexuellen Potenz und der großen Lust seiner Frau, die ihn in eine unangenehme Situation versetzt. Er liebt sie und will sie befriedigen, jedoch ist er mittlerweile in die Jahre gekommen und seine Energie kann sich nicht mehr mit der Energie seiner Frau messen. Verzweiflung bemächtigt sich seiner und er greift, neben dem Tagebuch, zu Mitteln, die ihm bei der Bewältigung des Problems helfen sollen. Dabei hofft er stets, dass seine Frau heimlich sein Tagebuch liest, um sein Anliegen und seine Gedanken zu verstehen. Er will so gern mit ihr reden, kann es aber nicht. All seine Hoffnung ist auf Papier geschrieben.

Seine Frau schreibt über die eigenen Lüste, aber auch über das Verhalten ihres Mannes, sowie einen Freund ihres Mannes, der zum regelmäßigen Gast im Hause wird und sich innerhalb kurzer Zeit in einen wesentlichen Bestandteil der Ehe und des Sexuallebens der beiden verwandelt. Es fließt viel Alkohol und dann beginnt auch noch die Tochter sich in das Geschehen einzumischen. Denn eigentlich sollte der Freund des Mannes um die Tochter buhlen, so war es vorgesehen.

Der Schlüssel ist ein hoch interessantes und unterhaltsames Versteckspiel, das mit gesellschaftlichen Normen und Vorstellungen jongliert und dabei die zwischenmenschlichen Unfähigkeiten der Eheleute offenlegt. Mit Staunen und Verzücken liest man dieses leise Buch über unterdrückte Gefühle und verborgenen Absichten. Große Augen macht man bei den Einblicken, die Tanizaki in die Intimität gewehrt. Man sollte dieses Buch lesen, heimlich und leise,wie einen Schatz, den man verstecken muss.

Der Schlüssel

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Der Schlüssel«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Film & Kino:
The Crown - Staffel 3

Die Queen in ihrer vordergründig repräsentativen Rolle ist eine zeitgeschichtliche Ikone, sodass der Erfolg der seit 2016 bei Netflix laufenden Serie „The Crown“ nicht verwundert. Die dritte Staffel markiert allerdings einen Umbruch: Die Royal Family ist in den 60er-Jahren angekommen und viele Rollen werden neu besetzt, da auch die Blaublüter nicht vor dem Altern gefeit sind. Titel-Motiv: © Des Willie / Netflix

zur Film-Kritik