Weit weg und ganz nah

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2014
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  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2014, Seiten: 512, Übersetzt: Karolina Fell
Weit weg und ganz nah
Weit weg und ganz nah
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Kathrin Plett
701001

Belletristik-Couch Rezension vonJul 2014

Roadtrip mit Hindernissen und die große Liebe

Jess, Putzfrau und alleinerziehende Mutter in Geldnöten: Sie braucht unbedingt eine Finanzspritze, um ihre hochbegabte Tochter auf die ersehnte Privatschule schicken zu können, damit sie entsprechend gefördert und aus ihrer Außenseiterrolle befreit wird. Ed, reicher und beständig mit der Justiz im Konflikt befindlicher Geschäftsmann, will sich seiner Frau entledigen und weiht sie deshalb in Insidergeschäfte ein. Der ganze Schlamassel fliegt auf und seine Karriere droht den Bach hinunter zu gehen. Jess und Ed, zwei Menschen, in deren Leben es wohl kaum irgendeine Gemeinsamkeit gibt. Und dennoch: Jess ist Putzfrau bei Ed. Durch Zufall findet sie Geld von ihm und behält es. Als Ed sie und ihre Kinder später am Straßenrand nach einer Autopanne aufgabelt und sie alle mitnimmt, passiert was passieren muss...

Jess und Ed kennen sich eigentlich nur durch Jess' Job. Sie putzt für ihn. Als sie dringend Geld benötigt, um ihrer Tochter den teuren Schulplatz zu ermöglichen und Geld von ihm findet, steckt sie es heimlich ein, nichtsahnend, dass ausgerechnet er es sein wird, der ihr und ihren Kindern in der größten Not, gestrandet mit einer Panne am Straßenrand, helfen wird. Anstatt an ihnen vorbeizufahren lädt er die gesamte Familie - inklusive Hund - in sein schickes Auto und verspricht, sie zur Matheolympiade zu fahren, wo die zehnjährige Tochter das notwendige Geld gewinnen soll. Eine abenteuerliche Reise beginnt. Ed und Jess kommen sich immer näher und schon bald vergisst Jess ihren Diebstahl. Wieder zu Hause passiert dann die große Katastrophe. Können Ed und Jess ihre zarte Beziehung retten?

Jojo Moyes, geboren 1969, studierte zunächst Journalistik, bevor sie für die «Sunday Morning Post» in Hongkong und den «Independent» in London arbeitete. Mit ihrem Roman «Ein ganzes halbes Jahr», der aktuell in Hollywood verfilmt wird, gelang ihr international der Durchbruch - auch in Deutschland stand der Roman monatelang auf Platz eins der Bestsellerliste. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern auf einer Farm in Essex.

Mit Weit weg und ganz nah bleibt Jojo Moyes nach Ein ganzes halbes Jahr und Eine handvoll Worte ihrem Stil treu. Wie auch diese beiden Romane fügt sich ihr neuestes Werk nicht nur optisch in die Reihe ein und handelt von der Liebe, die durch Missverständnisse, soziale Unterschiede und andere Widrigkeiten erschwert wird. Dieses Mal hat ihre Protagonistin als alleinerziehende Mutter mit Geldnöten, einer mathematisch hochbegabten Tochter, einem nicht zahlenden Ex-Mann und Mobbing ihrer Kinder zu kämpfen und hält sich und ihren Nachwuchs als Putzfrau über Wasser. Ehrlichkeit und eigene Anstrengung sind für sie unverzichtbare Werte, die sie ihren Kindern vermittelt. Ed, ein reicher Geschäftsmann, ist einer ihrer Kunden. Ausgerechnet er verliert ein Bündel Geld, das sie aus finanzieller Verzweiflung einsteckt. Wer hätte ahnen können, dass gerade er für sie und ihre Kinder zum Retter in der Not wird und, wie könnte es anders sein, sich beide ineinander verlieben.

Locker leicht erzählt Jojo Moyes in gewohnter Art und Weise ihre Geschichte. In 41 Kapiteln schreibt sie dabei abwechselnd aus verschiedenen Perspektiven und lässt Jess, Ed sowie die beiden Kinder Nicky und Tanzie aus der jeweiligen Sicht berichten, so dass die unterschiedlichen Betrachtungsweisen, Gedanken und Gefühle der Figuren über das Geschehen deutlich werden. Durch ihre detailreichen Beschreibungen gelingt es leicht, sich in die Geschichte hineinzuversetzen:

"Als Nicky herunterkam, saß sie einfach auf dem Sofa und starrte wie in Trance vor sich hin. Die Black-und-Decker-Bohrmaschine lag auf dem Fensterbrett, und die Leiter lehnte noch vorn am Haus."

Im Laufe der Geschichte verliert die Handlung auf diese Weise jedoch immer mehr an Fahrt und es entsteht das Gefühl, dass durch immer mehr Nebenschauplätze wie etwa dem Treffen mit dem Ex-Mann, den Mobbingproblemen der Kinder oder den familiären Problemen Eds die eigentliche Handlung immer mehr in den Hintergrund gerät und die Story zunehmend zäher wird. Zwar bleibt die Spannung bis zum Schluss erhalten, da die Liebesgeschichte zwischen Jess und Ed durch Missverständnisse und persönliche Fehler der beiden offen bleibt, doch das Interesse des Lesers verläuft sich durch die vielen Figuren, so dass viel Potenzial des Romans verloren geht.

Alles in allem ist Weit weg und ganz nah ein unterhaltsames Buch für den Urlaub, für entspannte Stunden im Liegestuhl. Auch wenn die Geschichte sicher nicht das Ziel hat besonders anspruchsvoll zu sein, fehlt es ihr insgesamt an Tiefe und Originalität. Langatmige Passagen und zu viele Nebenschauplätze schmälern den Lesespaß etwas. Für Fans von unterhaltsamem Liebesgeschichten mit viel Gefühl und Herzschmerz und der Aussicht auf Happy End allerdings – ist es genau das richtige.

Weit weg und ganz nah

Jojo Moyes, Rowohlt

Weit weg und ganz nah

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