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  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2013
  • 3
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2013, Seiten: 384, Originalsprache
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Kathrin Plett
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Belletristik-Couch Rezension vonOkt 2013

Das große F - Zwischen Familie, Fälschung, Fiktion und Fatum

Ist das Leben vorherbestimmt? Schon völlig durchgeplant, noch bevor der erste Atemzug getan werden konnte? Alles Schicksal, an dem nicht viel geändert werden kann? Oder haben wir die vollkommene Macht über unser Leben zu bestimmen, es zu lenken und geben die Richtung vor? Welche Rolle spielt Gott? Weiß er alles - und der Mensch ist eine Marionette in seinem Theater? Oder gibt es vielleicht gar keinen Gott? Daniel Kehlmanns neuester Roman F wirft viele Fragen auf und gibt genauso viele Antworten, die vor allem eines deutlich machen: Das Leben ist ein Mysterium und der Mensch ein Wesen, welches über sich selbst nicht im Klaren ist.

Kehlmann erzählt in F die Geschichte der Familie Friedland: Vater Arthur Friedland, seinem ersten Sohn Martin und den Zwillingen Iwan und Eric. Längst erwachsen führen die drei Brüder alle ihr eigenes Leben, der eine ist Pfarrer, der andere Finanzberater und der dritte Kunstkenner. Nach außen sind sie alle in ehrbaren Berufen tätig, sind erfolgreich, haben ein erfülltes Leben und haben etwas erreicht. Doch in Wirklichkeit haben sie vor allem eines gemeinsam: Jeder von ihnen ist auf seine Weise ein Betrüger, Heuchler oder Fälscher, schwindelt, hintergeht und betrügt sich - und vor allem seine Mitmenschen. Als bei Eric, dem Finanzberater, alles aufzufliegen droht, geschieht ein Unglück, welches in das Leben jedes einzelnen Bruders greift und Alpträume wahr werden lässt - und Wunder vollbringt.

Daniel Kehlmann, geboren 1975 in München, ist österreichisch-deutscher Schriftsteller. Nach dem Schulabschluss in Wien studierte Kehlmann Philosophie und Literaturwissenschaft, bevor ihm 2003 mit seinem fünften Roman Ich und Kaminski der internationale Durchbruch gelang. Sein Roman Die Vermessung der Welt ist - mit allein im deutschsprachigen Raum 2,3 Millionen verkauften Exemplaren - sein bisher erfolgreichstes Werk.

 

"Fatum", sagt Arthur, "Das große F. Aber der Zufall ist mächtig, und plötzlich bekommt man ein Schicksal, das nie für einen bestimmt war. Irgendein Zufallsschicksal. So etwas passiert schnell."

 

Zufälle sind es, die unser Leben bestimmen, unser Leben oft überhaupt erst möglich gemacht haben. Schicksal oder Wille, Plan oder einfach nur Fügung, in Kehlmanns Roman "F" dreht sich alles um Lüge, Einbildung und Fälschung, um Schein und Wahrheit, verpackt im schwierigen Beziehungsgeflecht einer modernen Familie, bestehend aus einem Vater, der seine Söhne im Stich gelassen hat um ein anderes Leben zu leben, und drei Brüder, die bei aller Unterschiedlichkeit vor allem eins gemein haben: Sie hintergehen und betrügen ihre Mitmenschen, mogeln sich auf ihren eigenen Vorteil bedacht durchs Leben. Beispielhaft gelingt es dem Autor dabei, die winzigen Momente zu finden, die in der Lage sind, über ein ganzes Leben zu entscheiden. Vielschichtig und tiefgründig stellt sich Kehlmanns Geschichte dar, die sowohl durch ihre Charaktere als auch durch ihren stilistischen Aufbau überzeugt.

Der Roman gliedert sich in mehrere Abschnitte, die sich perspektivisch und zeitlich voneinander abgrenzen. Ist das erste Kapitel noch eine Art Vorgeschichte - aus der Sicht des Vaters erzählt - sind die folgenden Kapitel wechselnd aus der Sicht der Brüder 24 Jahre später geschrieben. Besonders interessant dabei: Alle drei Abschnitte verlaufen annähernd parallel, kreisen um ähnliche Geschehnisse aus unterschiedlicher Perspektive. Auch das Ende des Buches stellt einen Wechsel dar und vollzieht sich prozessartig über mehrere Jahre.

Kehlmann schafft es, seinen Roman authentisch und lebendig wirken zu lassen, indem er jeweils den richtigen Tonfall trifft, wenn er seine Protagonisten erzählen lässt. Sprachlich schlicht und präzise und ohne viel Identifikationsspielraum hält er die Leser auf Abstand und lässt sie auf diese Weise zu Zuschauern werden, die gezwungen sind, sich aus der Außensicht ihre eigenen Gedanken zum Geschehen zu machen.

Alles in allem ist F ein vieldeutiger und inhaltsvoller Roman, der viele Fragen aufwirft, dabei aber keine vorgefertigten Antworten liefert. Kehlmann erzählt von einer Familie, deren Mitglieder sich irgendwo zwischen Realität und Fiktion, Wahrheit und Lüge verloren haben. Eine gehaltvolle Geschichte, schlicht und klar erzählt und die durch Vielschichtigkeit und Tiefe überzeugt!

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