Dreimal im Leben

  • Insel
  • Erschienen: Januar 2013
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  • Berlin: Insel, 2013, Seiten: 525, Übersetzt: Petra Zickmann
  • Madrid: Alfaguara, 2012, Titel: 'El tango de la Guardia Vieja', Seiten: 497, Originalsprache
Dreimal im Leben
Dreimal im Leben
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Sebastian Riemann
801001

Belletristik-Couch Rezension vonSep 2013

Die Eleganz vergangener Tage

In seinem neuesten Buch entführt der bekannte spanische Autor Arturo Pérez-Reverte den Leser in eine Welt, die angefüllt ist mit feinen Tanzschritten, teurem Schmuck und düsteren Geheimnissen. Hinter den Fassaden lauern moralische Abgründe und ungeahnte Begierden, ein spannender und emotional kluger Roman, der sich trotzdem nicht ganz zu den Höhen aufschwingen kann, die man immer wieder zu ahnen glaubt.

Die beiden Protagonisten des Buches, Max und Mecha, begegnen sich dreimal, zuerst auf einer Luxusdampferfahrt nach Buenos Aires, später in Nizza kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges und ein letztes Mal in Sorrent bei einem großen Schachturnier. Das Buch springt beständig zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, welche sich mit dem dritten Treffen befasst. Die drei Etappen sind sehr unterschiedlich in Bezug auf die äußeren Umstände, jedoch variiert die Beziehung zwischen den beiden Hauptcharakteren nur wenig.

Die erste Hälfte des Buches hat wenig an Handlung zu bieten, konzentriert sich vielmehr auf Max und Mecha, die dem Leser sehr nahe gebracht werden. Es ist der Erzählkunst des Autors zu verdanken, dass diese Seiten trotzdem leicht dahingehen, nicht belasten oder gar langweilen. Man bekommt ein gutes Gespür für die Feinheiten im Umgang der beiden Personen, die so unterschiedlich sind und von einander nicht lassen können. Das Spiel zwischen der reichen, eleganten Frau und dem armen, gut aussehenden Verführer verändert sich nicht in bemerkenswertem Maße, vermag aber immer wieder Aufmerksamkeit zu erregen, da es letztlich nicht nur die beiden sind, um die es geht, sondern auch die Figuren der zweiten Reihe. Der Ehemann Mechas ist ein berühmter Tangokomponist, er hat nicht nur viel Geld und Ansehen, sondern auch eine Neigung zum Überschreiten von Grenzen. Durch ihn erkundet Mecha ihre dunklen Seiten und lebt sie in vollen Zügen aus, der Eintänzer Max scheint ihr ein willkommenes Mittel zum Zweck. Sie kann es nicht lassen ihn von oben herab zu behandeln, ihn zu reizen und ihm dann letztlich doch wieder zu verfallen.

 

"Hast du mich je geliebt, Max?"
Er schweigt verstört und starrt auf den Golf von Neapel hinaus. Und versucht für sich, die Worte Gewissensqual und Melancholie auseinanderzuhalten.
"Ach, wie dumm von mir." Sie streichelt ihm flüchtig über die Hand. ""Natürlich hast du das. Du hast mich geliebt."

 

In einer anrüchigen Bar in Buenos Aires provoziert sie Max, indem sie mit einem schmierigen Aufschneider tanzt und den Eindruck erweckt, dass es doch nur ein Tanz ist. Tango ist jedoch mehr in der Beziehung der beiden, sie lernten sich beim Tanzen kennen, zusammen mit Mechas Ehemann erkunden sie die Ursprünge der Musik und des Tanzes.

Im Original trägt das Buch den Titel "Der Tango der alten Wache" und unter diesem Namen wird auch der Tango von Mechas Ehemann bekannt, ertönt fortan immer wieder wenn Max und Mecha sich treffen, begleitet den Leser durch den Roman. Es ist eine Hommage an alte Zeiten, in denen der Tango noch unverfälscht, noch nicht Mode war und in verrauchten Hafenspelunken gespielt wurde. So verrucht der Tango damals war, genauso sind es Max und Mecha immer noch, sie mögen gut gekleidet sein und diszipliniert tanzen, ihre Persönlichkeiten offenbaren Abgründe, die ihrem äußerlichen Erscheinen widerspricht und auch die Idee des neuen, eleganten Tangos verneint.

Die zweite Hälfte des Buches bringt vielerlei Überraschungen, der Leser wird der vertrauten Zweisamkeit der Protagonisten entrissen und in ein spannendes Handlungsgeflecht geworfen. Aus dem Liebesroman wird im Handumdrehen eine Geschichte mit der Atmosphäre eines Agententhrillers. Große Ereignisse am Vorabend des zweiten Weltkrieges, Spiel mit verdeckten Karten, geheime Dokumente, kaltblütiger Mord: Pérez-Reverte lässt wenig aus und die Erzählung nimmt viel Geschwindigkeit auf. Die Romanze zwischen Max und Mecha rückt mitunter stark in den Hintergrund und es kommen Zweifel auf, wie die beiden Handlungen miteinander verbunden werden. Schnell jedoch schlägt der Autor ein paar Brücken und bewahrt den Roman davor in zwei unabhängige Teile zu zerfallen. Der Mann versteht sein Handwerk, daran sollte niemand zweifeln.

Arturo Pérez-Reverte gehört zur ersten Liga der spanischen Literatur, er veröffentlichte eine Vielzahl von Romanen und wurde mit renommierten Preisen geehrt. Seinen größten Erfolg konnte er mit Der Club Dumas feiern, welcher 1999 unter dem Titel Die neun Pforten verfilmt wurde.

Mit Dreimal im Leben liefert Pérez-Reverte einen gut geschriebenen Liebesroman, der viel vom Glanz und Pomp einer alten Elite, später dann von der Spannung eines Thrillers lebt. Er zollt mit dem Buch einer Vergangenheit Tribut, die weniger oberflächlich, nicht so künstlich und bedeutungslos war. "Der Tango der alten Wache" ist Ausdrucks dieser Wertschätzung des Vergangenen. Problematisch ist bei diesem Ansatz die Vereinfachung, die sich nicht verhindern lässt, wenn man von alten Zeiten schwärmt. Max und Mecha sind keine Stereotype, aber auch nicht besonders tief gezeichnete Charaktere, der Leser wird sehr selten von ihnen überrascht. Pérez-Reverte huldigt einer Vorstellung von Klasse, die ihm nicht ausreichend zugänglich ist und so treten die beiden wichtigsten Personen seines Buches oft auf der Stelle, sind auf Ganoven, Agenten und Prostituierte angewiesen, die ein unterhaltsames Ambiente schaffen.

Dreimal im Leben

Aturo Pérez-Reverte, Insel

Dreimal im Leben

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