Der Zauber der Casati

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2013
  • 1
  • Hamburg: Rowohlt, 2013, Titel: 'Der Zauber der Casati', Seiten: 256, Übersetzt: Hinrich Schmidt-Henkel
Der Zauber der Casati
Der Zauber der Casati
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Rita Dell'Agnese
551001

Belletristik-Couch Rezension vonFeb 2013

Mehr Camille denn Luisa Casati

Wer zum Roman "Der Zauber der Casati" greift, sollte – bevor er die erste Zeile liest – kurz innehalten und sich fragen, welche Erwartungen er an dieses Buch hat. Ist der potentielle Leser vom Wunsch geleitet, mehr über die wilde Marchesa Luisa Casati zu erfahren, tut er gut daran, sich ein anderes biographisches Werk auszuwählen. Denn auf den 253 Seiten findet deutlich mehr Camille De Peretti statt, als Luisa Casati. Erst, wer sich von der Vorstellung befreit hat, die Marchesa würde im Mittelpunkt des Romans stehen, wird sich auf Camille De Perettis Werk wirklich einlassen können. Denn primär geht es hier um das Leben einer jungen Frau (Camille), die sich in eine verhängnisvolle Ehe stürzt und sich erst nach harten Erfahrungen daraus wieder zu befreien vermag.

Camille de Peretti erzählt aus dem Alltag der jungen Frau in Ich-Form. Da sie ihre Heldin Camille nennt, schafft sie die Illusion, eine Autobiographie vorzulegen. Sie tut dies in einem lockeren Plauderton, der einem Gespräch unter Freundinnen zugrunde liegen könnte. Dadurch schafft sie Nähe zwischen Erzählerin und Leser. Sie setzt dabei bei ihrem Leser – oder fiktivem Gesprächspartner – eine große Portion Voyeurismus voraus. Nicht alles, was Camille nach und nach aus ihrem Leben erzählt, möchte der Leser tatsächlich wissen. Immer wieder setzt sich Camille so stark in Szene, dass sie wie eine überdrehte, etwas offenherzige Bekannte wirkt, die gerne mal Grenzen überschreitet. Um sich zu erklären – ja auch zu rechtfertigen – baut Camille De Peretti den Roman auf der Geschichte von Luisa Casati auf.

Das Stilmittel, die eine Geschichte zu erzählen, indem man eine zweite zu Vergleichszwecken heranzieht, hat durchaus seinen Reiz. Auch De Peretti gelingt es immer wieder, den Leser zurück in die Geschichte zu holen. Allerdings ist es ihre nüchterne, ja nahezu leblose Art, mit der sie mit der Geschichte der Marchesa umgeht, die den Leser überhaupt dazu bringt, einen Schritt zurückzutreten und das Geschehen aus einer sicheren Distanz zu verfolgen, immer bereit, sich ganz zu verabschieden, sollte sich die Story nicht endlich doch noch entwickeln. Leider schafft es De Peretti über die ganze Länge des Romans hinweg nicht, die beiden Erzählebenen glaubwürdig miteinander zu verbinden und die Faszination der Gegensätze, die in den beiden Frauenschicksalen stecken, herauszuarbeiten. Vielmehr muten ihre Gedankensprünge von der einen zur anderen Protagonistin willkürlich an und ihre immer wieder offenbarte  Verehrung für Luisa Casati aufgesetzt und unecht.

Wo Camille De Peretti Luisa Casati ins Zentrum rückt, bleibt sie bei einem nacherzählenden Ton, scheint mehr oder weniger konsequent aus angelesenen Biographien der Marchesa zu zitieren und betont damit ihre eigene Distanz zur eigentlichen Protagonistin des Romans. Die Autorin dürfte sich damit nicht nur Freunde machen.  Immerhin lockt der Titel jene Leserschaft, die sich für die wilde Erbin interessiert, die sich mehr und mehr in einem extravaganten Leben verliert und dabei nicht nur namhaften Persönlichkeiten begegnet, sondern auch die Muse einer ganzen Heerschar von Künstlern wird.

Camille De Perettis Roman polarisiert. Er wird die einen begeistern und andere zutiefst enttäuschen. Letzteres aber vor allem deshalb, weil die Aufmachung des Buches etwas anderes erwarten lässt, als präsentiert wird. "Der Zauber der Casati" scheint als Titel zu hoch gegriffen für das wenig glamouröse, geschweige denn zauberhafte Leben der Camille. An sich ist es bedauerlich, dass Camille De Peretti nicht auf die reizvolle Marchesa verzichtet hat, um ihre eigene Geschichte zu erzählen – sie hat durchaus etwas zu sagen, ohne die Leserschaft mit der verruchten Exotik Luisa Casatis ködern zu müssen.

Der Zauber der Casati

Camille de Peretti, Rowohlt

Der Zauber der Casati

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