Katzenkrieg

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Romy Fölck
821001

Belletristik-Couch Rezension vonOkt 2012

Katz- und Mausspiel in den Straßen Madrids

Ist Mendozas neues Werk mehr ein Politthriller als ein historischer Roman? Oder vielleicht doch eine Komödie? Oder gar ein Liebesroman?

"Katzenkrieg" ist von allem etwas und genau das macht den Reiz dieses Romans aus. So sind die dramatischen Geschehnisse um den englischen Kunstexperten Anthony Whitelands, der am Vorabend des spanischen Bürgerkrieges 1936 geschäftlich nach Madrid reist, eine gelungene Mischung von allem, worin sich die Kunstfertigkeit des Autors offenbart, Genregrenzen zu sprengen.

Die politische Atmosphäre in Madrid ist aufgeladen, ja förmlich explosiv. Keine Partei weiß, ob es binnen kurzer Zeit zu einem Militärputsch oder zu einem faschistischen Aufstand kommt. So sammeln sich die Anhänger der faschistischen Falange "mit ihrer Leichtigkeit und ihrem jugendlichen Wagemut" und versuchen, Waffen aufzutreiben. Die Arbeitermilizen sind höchst angespannt, um sofort reagieren zu können, sollte sich die Flamme der Revolution entzünden. Whitelands gerät nach seiner Ankunft ungewollt zwischen die Fronten, obwohl er neutral eingestellt ist. Er, der englische Velázquez-Experte, der sich gern im Prado die Zeit vertreibt, die kulinarischen und erotischen Angebote Madrids zu schätzen weiß und der mit der spanischen Politik so gut wie nichts am Hut hat, nimmt, gefangen von den Reizen einer Frau, bald an einer verbotenen Falange-Versammlung teil und wird "zum öffentlichen Feind Nummer eins". Er stolpert von einem Abenteuer ins nächste und hat dabei mehr Glück als Verstand, dass er mit seinem Leben davon kommt. Als er schließlich noch ein bis dahin unbekanntes Werk von Velázquez bei seinem Kunden, dem Herzog von Igualada aufspürt, ist es um seine Contenance geschehen, sein Leben läuft völlig aus dem Ruder.

Der Leser erhält in "Katzenkrieg" nicht nur einen spannenden Einblick in die politischen Strukturen und den spanischen Kunstmarkt jener Zeit, er begegnet neben fiktiven Protagonisten auch historischen Figuren wie dem jungen Falange-Führer José Antonio Primo de Rivera und dem nationalistischen General Francisco Franco. Dabei wird Primo de Rivera keinesfalls als machthungriger brutaler Faschist dargestellt, sondern als ein sympathischer und enthusiastischer Heißsporn, dem Whitelands schnell freundschaftlich zugetan ist, der jedoch von der Machtgier und Kampflust seiner Gefolgsleute innerhalb der Falange überrannt zu werden droht.

Im Vordergrund steht jedoch der Kunstexperte Whitelands, der, nicht nur aufgrund des konventionellen Schreibstils Mendozas, sondern auch durch seine pragmatische Einstellung und sein ungeschicktes Verhalten, nicht selten an Arthur Conan Doyles Dr. Watson erinnert – was köstlich amüsiert. Dazu lässt sich der Engländer von mehreren Damen gleichzeitig verführen, u. a. von einer minderjährigen Prostituierten, was unter den Damen zu genügend Gerangel um seine Person und zu ein paar witzigen Situationen im Roman führt. Leichthändig jongliert Mendoza mit historischen Geschehnissen und ausschweifenden Ausführungen über die Kunst und würzt damit eine historische Geschichte, die so wahnwitzig wie amüsant ist.

Mendoza, einer der wichtigsten Gegenwartsautoren Spaniens, der 1943 in Barcelona geboren wurde und mit Werken wie "Die Wahrheit über den Fall Savolta" und "Die Stadt der Wunder" weltweit bekannt wurde, kann auch mit seinem neuen Werk punkten. Dabei setzt er erneut auf Altbewährtes. Ganz im Gegenteil zu Antunes´ unkonventionellem Schreibstil mag Mendoza es traditionell. Sein Ton wirkt beinahe ein wenig überholt, passt sich aber dennoch treffend der von ihm verarbeiteten Epoche an.

Die Ansiedlung des Romans zu Zeiten des Bürgerkrieges ist in der spanischen Literatur nun auch nichts Aufregendes oder Neues. Dennoch vermag das Konstrukt dieser Geschichte mit all ihren Figuren zu überzeugen. Auch wenn sich Textpassagen und Dialoge manchmal unnötig ziehen und Mendoza viel Zeit braucht, um zum Punkt zu kommen, bleibt die Lesefreude bis zum Schluss erhalten. So erlischt das Interesse auch nicht bei den etwas zu ausführlich geratenen Beschreibungen und Deutungen auftauchender Kunstwerke von Velázquez, Tizian und Goya, bei denen ein Kunstbanause wohl querlesen, ein kunstinteressierter Leser aber sicher noch einiges Neues erfahren dürfte.

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