Was verborgen bleibt

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Romy Fölck
781001

Belletristik-Couch Rezension vonOkt 2012

Restposten einer Liebe

Gerade wenn man denkt, dass das Leben sich fügt, wirbelt es oftmals alles durcheinander. So auch hier: Ein Neuanfang soll es für die Protagonistin dieses Romans werden, in einer der aufregendsten Städte der Welt. Sogar die Greencard hat sie ihrem Liebsten besorgt, damit sie mit ihm in der Stadt ihrer Träume ein neues Leben beginnen kann. Und nun ist sie bei ihm, bei Gregor in New York, um selbst einen Job zu finden und ihren Umzug über den Ozean zu planen. Doch die Monate der Trennung sind nicht unbeschadet an ihnen vorüber gegangen, das spürt sie sofort. Schon bei ihrer Ankunft ist nichts mehr zwischen ihnen wie es war. Sie wittert die Gefahr des Verlusts, aber ihr Herz kämpft im winterlichen New York um die Restposten ihrer Liebe.

Es ist ein stiller Roman, aus der Ich-Perspektive erzählt. Gerade deshalb geht er immens unter die Haut. Die Protagonistin streift durch die Großstadt und man spürt in jeder Beschreibung, an jedem Erlebnis ihre Liebe zu dieser Metropole, für die die Erzählende ihr Leben in Deutschland aufgeben will. Es könnte die Aufzeichnung wunderbarer Stadtspaziergänge im kalten Februar sein, wäre da nicht der aufbrechende Schmerz, den man zwischen den Zeilen spürt. Denn inmitten der Straßenschluchten, Cafés, Wintergärten und Parks echot der unaufhaltsame Abschied von einem geliebten Menschen.

Nähe will sie aufbauen in den drei Wochen, die sie bei Gregor bleibt, will sich einleben in New York - doch mit jedem Tag, jeder Nacht, in der sie stumm nebeneinander liegen, bewegen sie sich mehr auf den Abgrund zu, der das Ende ihrer Liebe darstellt. Der gemeinsame Opernbesuch gerät zu einer Farce, die Einladung zu einem Essen bei Bekannten endet in einem Eifersuchtsdrama. Der erste Sex nach Monaten ist nicht mehr als ein kurzer Akt am offenen Kühlschrank und ist ebenso eisig wie dessen Inhalt.

Wie kleine Nadelstiche, die immer schmerzhafter werden, webt Britta Boerdner die offensichtlichen Anzeichen des Verlusts in den Text ein. Nicht allein die Katze, die Gregor allmorgendlich füttert, ohne dass er seiner Freundin davon erzählt, lässt erahnen, dass er vor Wochen ein neues Leben begonnen hat, dass er zunehmend eigene Wege geht. So wird schon eine hungrige Katze zu einer Nebenbuhlerin.

Britta Boerdner, 1961 in Fulda geboren, wohnt in Frankfurt am Main. Sie arbeitete nach ihrem Studium der Amerikanistik, Germanistik und historischen Ethnologie als Texterin und Konzeptionerin, schrieb Essays und Kurzgeschichten. Nun legt sie mit "Was verborgen bleibt" ihren ersten Roman vor. Sprachlich ausgewogen und mit berührenden Bildern gelingt es ihr, den Leser fortwährend zu fesseln. Es sind die kleinen Geschichten, Beobachtungen und Zwischentöne, die es ermöglichen, sich schnell einen Eindruck vom Innenleben der Protagonisten zu verschaffen. Boerdner erzählt und lässt das Erzählte einfach wirken. Sie stülpt dem Leser kein Urteil, keine Schlussfolgerung über. Langsam kristallisiert sich beim Lesen heraus, wo das Ende dieser großen Liebe begann.

Leise und eindringlich ist der Ton dieses Romans, verhalten sein Ende. Boerdners Debüt ist ein Liebesroman der anderen Art, geht es doch nicht um das Verlieben, sondern um das Scheitern. Um das Balancieren auf dem Drahtseil der Emotionen, wenn die Liebe erlischt. Gerade das macht ihn so eindringlich. Lässt ihn noch lange Zeit nachhallen.

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