Theodor Fontane

von Kirsten Kohlbrei (12.2019)

„Rezepte, Reisen und Romane“
Eine Annäherung an den Dichter zu seinem 200. Geburtstag. (*30. Dezember 1819)

Wenn wir den Namen Theodor Fontane hören, was kommt uns in den Sinn? Die Birnen des Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland; ein Wanderer, der mit Stock und Schreibutensilien durch die Mark Brandenburg streift; oder Effi Briest und ihre tragische Geschichte? Vielleicht auch die, Redewendung „ein weites Feld“, die sich in Theodor Fontanes wohl bekanntestem Werk findet und zum geflügelten Wort geworden ist, verstärkt sicherlich durch den Titel von Günter Grass' Romanrezeption des Dichterkollegen. Und mit eben diesen viel zitierten Worten lässt sich auch Fontanes Leben und Werk treffend umschreiben.

Eine späte Karriere

Die Rolle als Verfasser von spannenden Balladen und großen Gesellschaftsromanen, wie ihn die meisten aus dem Deutschunterricht kennen, ist nur eine Facette in seiner Biographie. Als er sich für die freie Schriftstellerei entschied, lag bereits ein bewegtes Berufsleben hinter ihm: Nach einem bodenständigen Start als Apotheker in den Fußstapfen des Vaters, war er im Metier des Schreibens als Journalist, Verfasser von Reiseliteratur und Theaterkritiker unterwegs.
Seine Bekanntheit verdankt er letztlich aber der Karriere als Romancier, die er erst  im Alter von fast 60 Jahren erfolgreich startete und die ihn zum bedeutsamsten Vertreter des Realismus in Deutschland werden ließ.

Fontane spiegelt uns das Zeitgefühl des 19. Jahrhunderts wie kaum ein anderer

Seinem Anspruch Folge leistend, das wirkliche Leben in literarischer Form künstlerisch widerzuspiegeln, finden wir in seinen Büchern das 19. Jahrhundert eingefangen in detailgetreuen Beschreibungen und treffend ausgestalteten Charakteren. Wer etwas vom Zeitgefühl der Jahre nach der Revolution 1848 erfahren möchte, ist bei Fontane fraglos gut aufgehoben.

Seine Romane erzählen Geschichten des liberalen Bürgertums, dessen Wünsche auf Einheit und Freiheit durch Revolution und Reichsgründung 1871 nur bedingt erfüllt wurden, gleichwohl wie die des konservativen preußischen Adels, der sich in Nostalgie verhaftet mit den Neuerungen der modernen Welt konfrontiert sah. Und sie beschreiben vor allem auch das straff geschnürte gesellschaftliche Korsett, das Frauen in dieser Zeit ein selbstbestimmtes Dasein verwehrte.

Vielleicht hat Fontane mit unserem heutigen Leben aber mehr zu tun, als man es zunächst glauben mag. Zeigt er in seinem eigenen Handeln und in seinen Romanfiguren doch immer wieder die Aufrichtigkeit und den Mut, sich auch unbequemen Dingen zu stellen, wenn es der eigenen, tiefen Überzeugung entspricht und nicht in Schwarz oder Weiß zu denken.

Ein kämpferischer Geist

Erst Barrikadenkämpfer bei den Unruhen in Berlin im März 1848, dann Landtagskandidat der Konservativen, Schreiberling im Dienst Preußens, aber auch wohlwollender Rezensent der Stücke Hauptmanns - ein liberaler Bürgerlicher mit Sympathie für Gutsbesitzer; eine Toleranz im Denken, die nicht frei ist von Opportunismus, jedoch einen Schutz vor totalitärem Vorurteilsdenken darstellt. Schwer nachvollziehbar wird diese Inkonsequenz allerdings in seiner Beziehung zu Juden. Auf der einen Seite banden ihn enge Freundschaften und Dankbarkeit an seine jüdischen Leser, auf der anderen Seite finden sich vor allem beim „alten“ Fontane erschreckende, unerträgliche antisemitische Äußerungen. Bei einem Antisemitismus, der sich zum Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland manifestierte, zeigt sich Theodor Fontane hier leider als Kind seiner Zeit.

Fontane der Medienprofi

Diese Epoche voller Umbrüche und technischer Neuerungen, wusste Fontane geschickt zu nutzen, wenn er - für damalige Verhältnisse ein echter Medienprofi - für seine aufwendige Recherchearbeit beispielsweise Fotografie und Telegrafie einsetzte.

Seine Romane erschienen zunächst gewinnbringend als Fortsetzungsgeschichten im neuen Massenmedium Zeitung, bevor sie als eigenständige Veröffentlichungen herauskamen (ab 1890 alle im von seinem Sohn Friedrich gegründeten Verlag). Fontane käme in unseren Tagen wahrscheinlich gut klar, wüsste Internet und Social Media für seine Belange einzusetzen. Und als perfekter Vertreter der Generation 50+ könnte er mit seinen Wortschöpfungen bei jedem Poetry-Slam mithalten.

Theodor Fontane, selig machender Autor oder nur Verfasser von langweilig ausufernden Situationsbeschreibungen und gehaltloser Plauderei, wie Kritiker seine Romane einschätzen? Ihn anlässlich seines 200. Geburtstags als Dichter neu- oder wiederzuentdecken, wäre das nicht eine wahre „Menschheitsbeglückungsidee“?

Hier einige seiner Werke, die ich empfehle:

  • 1839 Geschwisterliebe. Novelle.
  • 1851 Gedichte
  • 1860 Jenseits des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland.
  • 1862 Wanderungen durch die Mark Brandenburg-
    bis 1882 erscheinen insgesamt vier Teile.
  • 1870 Kriegsgefangen. Erlebtes 1870.
  • 1878 Vor dem Sturm. Roman aus dem Winter 1812 auf 13.
  • 1880 Grete Minde. Nach einer altmärkischen Chronik.
    Die Brück' am Tay
  • 1882 L'Adultera. Roman aus der Berliner Gesellschaft.
  • 1883 Schach von Wuthenow. Erzählung aus der Zeit des Regiment Gensdarmes.
  • 1885 Unterm Birnbaum. Kriminalgeschichte.
    John Maynard
  • 1887 Cécile. Roman.
  • 1888 Irrungen und Wirrungen. Berliner Roman.
  • 1889 Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland
  • 1892 Unwiederbringlich. Roman.
  • 1893 Frau Jenny Treibel oder „Wo sich Herz zum Herzen find't.“. Roman.
  • 1894 Meine Kinderjahre. Autobiographischer Roman.
  • 1896 Effi Briest. Roman.
  • 1896 Die Poggenpuhls. Roman.
  • 1898 Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches.
  • 1899 Der Stechlin. Roman.

Und noch ein paar Tipps, wie und wo man über Fontane mehr erfahren kann:

Unter dem Titel „fontane.200“ wird schon das ganze Jahre mit einem breiten Veranstaltungsprogramm an Theodor Fontane erinnert, wobei seine Geburtsstadt Neuruppin im Mittelpunkt der Feierlichkeiten steht. Wer diesen Ausnahme Romancier und zu einem der bedeutendsten Vertreter des Realismus mehr erfahren möchte, kann sich auf seine Spuren begeben.

Im Museum Neuruppin lädt die Leitausstellung fontane.200/Autor dazu ein, Fontanes literarisches Werk auf unkonventionelle Weise zu entdecken, indem sie die Besucher mitten hinein in seine Schreib- und Textwelten stellt. Das Leitmotiv sind Fontanes Wort(er)findungen, die, aufwendig inszeniert, neugierig auf seine Arbeitsweise machen.

Institutionen und Vereinigungen wie das Theodor-Fontane-Archiv in Potsdam und die Theodor-Fontane-Gesellschaft gehören mit zahlreichen Veranstaltungen ebenso zu den Programmsäulen von fontane.200 und liefern vor allem literaturwissenschaftlich Interessierten Einblick in Aspekte der Fontane-Forschung, auch über das Jubiläumsjahr hinaus.

Neuruppin hat zudem noch eine besondere, mit leichtem Augenzwinkern versehene Weise gefunden, ihren berühmten Bürger zu ehren: Rund um den innerstädtischen Fontaneplatz zeigen die Ampeln seit April Fontane als Ampelmännchen. Bei Grün erscheint er mit Wanderstock und Buch, bei Rot sieht man ihn mit Wanderstock den Hut ziehend. Mittlerweile haben die Neuruppiner ihre Fontane-Ampelmännchen so liebgewonnen, dass nun Behördenanfragen laufen, damit diese auch nach Ablauf des Fontanejahrs noch den Verkehr regeln dürfen.

Theodor Fontane soll als Jubilar Touristen nach Neuruppin und ganz Brandenburg locken und muss dafür allerorts als Werbeträger herhalten. An Devotionalien gibt es bald nichts, was es nicht gibt. Restaurants haben Fontane-Fritten oder Theodor-Terrine im Angebot, es gibt eine Weinedition, alternativ aber auch ein Bio-Mineralwasser oder eine Teesorte. Sammler kommen mit Fontane in Stein gemeißelt oder in Münzformat auf ihre Kosten. Eine sympathische Variante für Freunde des Dichters ist da noch Fontane als Playmobil-Sonderfigur in limitierter Auflage, mit Backenbart und Hut, einen Wanderstock in der einen und ein Titelblatt der Wanderungen durch die Mark Brandenburg in der anderen Hand.

Das Fontanejahr schlägt sich letztlich natürlich auch im Angebot vieler Buchverlage nieder, die mit  einer Flut an Neuerscheinungen von Werk und Sekundärliteratur auf den Markt kommen. Hier eine kleine Auswahl zusammengestellt:

Der Titel Wundersame Frauenbei Manesse widmet sich weiblichen Lebensbildern aus den Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Hanser veröffentlicht eine umfassende Biografie von Regina Dieterle, die ein Bild Fontanes in all seiner Vielseitigkeit zeichnet, und Sybil Gräfin Schönfeldt liefert bei Ebersbach & Simon mit Bei Fontane zu Tischdas literarische Kochbuch zum runden Geburtstag des Dichters - eine Sammlung von Zitaten aus Fontanes Texten zu den Speisen seiner Zeit, kombiniert mit zeitgenössischen Rezepten. Im S. Fischer Verlag erscheint Fontanes berühmtester Roman Effi Briest in einer aufwändig gestalteten, illustrierten Sonderausgabe.

Lebenslauf

  • 1819 Henri Théodore (Theodor) Fontane wird am 30. Dezember in Neuruppin geboren. Sein Vater ist Apotheker vor Ort.
  • 1827 Umzug der Familie Fontane nach Swinemünde.
  • 1832 Besuch des Gymnasiums in Neuruppin.
  • 1833-1836 Besuch der Gewerbeschule in Berlin.
  • 1836-1840 In Berlin absolviert Fontane eine Ausbildung zum Apothekergehilfen.
  • ab 1840 Fontane arbeitet in verschiedenen Apotheken, u.a. in Dresden, Leipzig, Letschin sowie Berlin und macht 1847 sein pharmazeutisches Staatsexamen.
  • 1849 Ende der Tätigkeit als Apotheker. Fontane beginnt für Zeitungen zu schreiben.
  • 1850 Theodor Fontane heiratet am 16. Oktober Emilie Rouanet-Kummer. Das Ehepaar wird Eltern von vier Kindern.
  • 1851 Anstellung in der staatlichen „Zentralstelle für Presseangelegenheiten“.
  • 1855-1859 Aufenthalt in London. Fontane ist dort als Presseagent der preußischen Regierung tätig.
  • 1860 Redakteur der „Neuen Preußischen (Kreuz-) Zeitung.
  • 1870 Kündigung bei der Kreuzzeitung. Fontane schreibt als Theaterkritiker für die liberale „Vossische Zeitung“. Während eines Aufenthalts in Paris, als Kriegsschauplatz des Deutsch-Französischen Kriegs, wird er als preußischer Spion verhaftet, kommt aber auf Fürsprache frei.
  • ab 1876 Leben als freier Schriftsteller. Seine Gesellschaftsromane entstehen.
  • 1898 Theodor Fontane stirbt am 20. September 1898 in Berlin und wird auf dem Friedhof der französisch-reformierten Gemeinde beigesetzt.

von Kirsten Kohlbrei (12.2019)

Illustration, Portrait Theodor Fontane: istock.com/clu
Foto Fontane Statue Neuruppin, Brandenburg: istock.com/Teka77

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