Unterm Scheffel

  • Amsterdam: De Arbeiderspers, 1991, Titel: 'Onder de korenmaat', Seiten: 242, Originalsprache
  • Hamburg: Osterwold Audio, 2011, Seiten: 6, Übersetzt: Max Volkert Martens, Bemerkung: gekürzt
Unterm Scheffel
Unterm Scheffel
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Birgit Stöckel
851001

Belletristik-Couch Rezension vonSep 2011

Über die Liebe und die Musik

Alexander Goudveyl ist ein mittelmäßig erfolgreicher Komponist und Pianist. Seine langjährige Ehe wird von allem, nur nicht von Liebe zusammengehalten. Es ist eher eine Mischung aus Gewohnheit, Resignation und der Tatsache, dass Alexanders Frau Joanna als Sängerin oft und lange auf Reisen ist. So schmeichelt es Alexander natürlich, als sich die fünfzehn Jahre jüngere Tierärztin Sylvia für ihn interessiert. Anfangs noch etwas skeptisch, lässt er sich auf eine Affäre ein. Ist zunächst noch Sylvia die treibende Kraft hinter dieser Liaison und Alexander der zurückhaltende, so verkehrt sich das bald ins Gegenteil. Alexander spürt, dass sich Sylvia von ihm entfernt, ihn auf Distanz hält, während er sich immer stärker in seinen Gefühlen und seiner Leidenschaft verstrickt…

Eine Liebe kann alles verändern

Zugegeben, die Geschichte an sich – älterer Mann verfällt jüngerer Frau – ist weder sonderlich neu, noch sonderlich originell. Dass das Buch sich trotzdem über das Mittelmaß heraushebt, ist dem Erzähltalent des Autors zu verdanken. Maarten ´t Hart erschafft mit Alexander Goudveyl einen glaubhaften Charakter, dem man gerne durch seine Geschichte folgt. Nachvollziehbar wird der Wandel eines Mannes Mitte Vierzig geschildert, der am Rande einer Midlife-Crisis steht und von der Bewunderung einer jungen Frau überrascht wird, sich aber natürlich auch geschmeichelt fühlt. Doch als sich Sylvia allmählich zurück zieht, wandelt sich das Hochgefühl in Zweifel und Alexander sieht die Errungenschaften seines Lebens plötzlich sehr kritisch, er fühlt sich unzulänglich, besonders im Vergleich zu seinen großen Vorbildern Bach, Beethoven, Schuhmann oder Schubert.

Auch wenn man sich als Leser manchmal fragt, warum er nicht einfach von sich aus einen Schlussstrich zieht, statt immer weiter zu leiden, so kann man doch zum allergrößten Teil auch verstehen, warum sich Alexander eine Rückkehr in sein altes Leben, ohne Sylvia, nicht mehr vorstellen kann.

Musikalische Ein- und Anspielungen

Besonders Musikkenner und –liebhaber werden ihre Freude an diesem Buch haben, denn Maarten ´t Hart, selbst Musiker und Organist, lässt seinen Protagonisten immer wieder Bezug auf berühmte Komponisten nehmen und Gedanken, Handlungen oder Begebenheiten mit deren Werken vergleichen. "Sie küsste beherrscht, geduldig, lang anhaltend. […] Sie küsste, wie Bruckner komponierte." Solche Sätze bereichern das Werk ungemein, zumindest wenn man Musik schätzt.

Für alle Leser, die sich in der klassischen Musik nicht so gut auskennen, können die Anspielungen auf berühmte Werke eventuell bis an die Grenze zur Langeweile heranreichen. Schließlich ist es schwierig, den Vergleich zwischen einem Ereignis oder einer Person zu einem Musikstück zu ziehen, wenn man das Musikstück nicht kennt und somit nicht weiß, wie es aufgebaut ist. Doch wird diese Grenze trotzdem nicht überschritten und das Buch somit auch für Leser empfehlenswert, die ansonsten keine große Vorliebe für klassische Musik haben.

Maarten ´´t Hart ist es gelungen, einer bereits oft erzählten Geschichte eine neue Seite abzugewinnen und somit einen äußerst unterhaltsamen und lesenswerten Roman zu schaffen, der vergnügliche Lesestunden zu bescheren weiß. Lediglich das Ende ist eine Nuance zu dick aufgetragen, vor allem, weil es etwas vorhersehbar ist.

Unterm Scheffel

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