Mutter-Tochter Drama mit Tiefgang.
Eine einsame Hütte im Wald ist Lydias Rückzugsort, nachdem ihr bisheriges Leben weitgehend in Scherben gefallen ist. Hier versucht sie Klarheit über ihr Leben zu gewinnen und vor allem die Gründe für die fast verlorene Beziehung zu ihrer Tochter Clara zu finden.
„Was ist so schwer am Leben?“
Lydia ist an einem Tiefpunkt in ihrem Leben angelangt. Ihre Beziehung mit Markus scheiterte, ihre gemeinsame Tochter Clara hat sich mehr und mehr von ihren Eltern entfremdet und muss wegen eines Verbrechens eine Gefängnisstrafe absitzen, gesundheitliche Probleme belasten Lydia immer mehr. Der Plan, in der abgelegenen Hütte ihre Erinnerungen aufzuschreiben, gelingt nicht. Die dafür vorgesehene Kladde bleibt leer, ihr Kopf aber ist voll mit Erinnerungen, insbesondere an ihren Partner Markus, den sie nach der Trennung noch immer liebt, sowie an Kindheit und Jugend ihrer Tochter Clara. Die quälende Frage nach ihrer Schuld an der zerbrochenen Beziehung zu Clara, deren psychischer Erkrankung und Abdriften in die Kriminalität, beschäftigen Lydia albtraumhaft.
Lydias Bedürfnis nach Alleinsein und Freiraum ließ sie immer Abstand zu ihrer Umwelt halten; sie sieht sich selbst als „Nomadin der Moderne“. Lange führte sie ein recht unstetes Leben, mit häufig wechselnden Tätigkeiten, Partnerschaften und vielen Umzügen. Immer wieder brach sie zu etwas Neuem auf, mit dem Wunsch sich weiterzuentwickeln und zu verändern. Selbst in der Wohnung der Familie hatte sie ein Zimmer für sich, in dem sie weitgehend lebte und sie selber sein konnte. Das Führen einer offenen Beziehung, in der Markus und sie sich andere Partnerschaften gestatteten, war für sie unabdingbar.
„Ist es anmaßend, sich selbst genug zu sein?“
Problematisch wurde ihr Lebensentwurf mit dem Erwachsenwerden ihrer Tochter. Claras Vorwurf „Ich kenn dich gar nicht“ und deren Ablehnung der elterlichen Lebensweise, werfen für Lydia die grundlegende Frage auf, welche Verpflichtung Eltern ihren Kindern gegenüber haben. Was muss man für seine Kinder an eigenen Bedürfnissen aufgeben? Nach einem einschneidenden Erlebnis im winterlichen Wald findet Lydia schließlich eine Antwort auf ihre Fragen.
Atmosphärisch dicht schildert die Ich-Erzählerin Lydia ihr Leben in der Waldhütte, die ohne Komfort, nur mit dem Nötigsten ausgestattet ist. Die intensiven Naturbeschreibungen lassen die Leserschaft problemlos eintauchen in die Szenerie der Geschichte. Die Beschreibung ihres Alltags wechselt mit immer wieder eingeschobenen Erinnerungen an ihr bisheriges Leben. Das im Roman wiederkehrende Motiv der Häutung symbolisiert Lydias Ringen um die Akzeptanz der eigenen Persönlichkeit. Kurze Sätze und knappe Dialoge, in denen nur das Notwendigste treffsicher gesagt wird, unterstreichen die Sehnsucht Lydias, bei sich selbst zu sein und andere Menschen auf Distanz zu halten.
Fazit
Nach Sachbuch und Theaterstück ist dies das sehr empfehlenswerte Romandebut der Autorin. Eine Geschichte, die noch längere Zeit nachhallt, denn die aufgeworfenen Fragen zwischen Mutter und Tochter bewegen nicht nur die Romanfiguren.



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