Fantastische Geschichte!
Alex Schulman (*1976 in Hemmesdynge) gehört zu den viel gelesenen Autoren in Schweden. Seine Bücher befassen sich mit Familiengeschichten und manchmal sogar mit seiner eigenen komplizierten. So auch in „Vergiss mich“, in dem er vom problematischen Verhältnis zu seiner Mutter berichtet.
Alkohol und Familie
Als kleines Kind hatte Alex ein sehr inniges Verhältnis zu seiner Mutter Lisette. Doch dann wird diese zur Alkoholikerin – erst kaum bemerkt, dann immer offensichtlicher. Der Junge versucht die Sucht vor der Umwelt zu verbergen, schützt seine Mutter. Aber dann ist die Sucht übermächtig und zerstört das Verhältnis von Mutter und Sohn komplett. Während der Vater weg sieht und die beiden Brüder noch den Kontakt halten, kappt Alex alle Verbindungen zur Mutter. Erst Monate später kommt es wieder zu einer Begegnung. Die Brüder überreden die Mutter zu einem Entzug. Die Annäherung von Alex und Lisette ist nicht einfach. Ständig beobachtet der Sohn die Mutter und sucht nach Zeichen einer zurückkehrenden Sucht. Dann trennen sich ihre Wege endgültig.
Traurig und schmerzhaft
„Vergiss mich“ ist kein literarisches Meisterwerk. Der Text mutet eher einer schnell verfassten Abhandlung an. Alex Schulman hat sich etwas von der Seele geschrieben, das gedrückt hat und raus musste. Der Stil ist dementsprechend anspruchslos. Doch die Geschichte hat es in sich. Der Prozess der Entfremdung und des Kontaktabbruchs ist traurig und schmerzhaft zu lesen. Es ist aber auch emotional aufgeladen, wenn es nach dem Entzug wieder zur Annäherung kommt. Das ehemals innige Verhältnis ist jedoch unwiederbringlich zerstört. Immer lauert die schlafende Sucht der Mutter und der Sohn lebt in der ständigen Angst, dass diese erwacht.
Intensiv und ehrlich
Der Text ist intensiv. Man taucht ein in die Seele eines Jungen, der die verlorene Geborgenheit sucht, und in die Seele eines Mannes, der sich selbst und seine Familie vor der Mutter schützen muss. Ganz ehrlich und geradlinig erzählt Schulman seine Geschichte und macht damit betroffen. Doch die Mutter steht nicht als Schuldige entblößt da, sondern als eine andere Art Opfer – als vom Ehemann nicht beachtete, in dessen stramme Strukturen hinein gepresste Frau.
„Vergiss mich“ könnte eine Leserschaft mit gleichem Hintergrund triggern, ist für diese daher nur begrenzt zu empfehlen. Doch allen anderen sei dieses, mit etwas mehr als 200 Seiten relativ knappe Buch ans Herz gelegt. Selten kann man so direkt von der zerstörerischen Kraft einer Alkoholsucht auf eine Familie lesen. Das Leben jedes einzelnen Mitglieds wird auf Dauer und unwiederbringlich beeinflusst, innige Verhältnisse werden zerstört und Kinderseelen geopfert.
Fazit
Ein geradliniger und intensiver Bericht über ein Thema, das gerne totgeschwiegen wird. „Vergiss mich“ berührt, ist schmerzhaft und traurig. Doch Alex Schulman schafft es, die Leserschaft in Bann zu ziehen und mitzunehmen. Das Buch ist schnell gelesen, doch es bleibt mit Sicherheit noch lange im Gedächtnis.

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