Jede Sekunde

Jede Sekunde
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André C. Schmechta
771001

Belletristik-Couch Rezension vonJul 2025

Zwischen Sehnsucht, Scheitern und Erinnern.

Ein Mann zwischen Ehe und Affäre, zwischen kriselndem Alltag und feuriger Leidenschaft. Jede Sekunde ist keine klassische Erzählung, sondern eine Momentaufnahme – ein melancholischer Blick zurück auf verpasste Chancen, vergangene Sehnsüchte und das, was vielleicht nie wirklich greifbar war und auch für uns am Ende nicht greifbar werden soll.

Fragmentarisch, poetisch, dicht … zu dicht.

Nicolas Mathieu erzählt nicht linear, sondern in Szenen und Rückblenden. Zeiten und Perspektiven wechseln, Episoden bleiben unvollständig, ergänzen sich wieder. Gedanken mal ausführlicher formuliert, mal wie kleine Tagebucheinträge anmutend, füllen die Seiten. Es entsteht ein kleinteiliges Mosaik, das sich erst spät zu einem – noch immer nur vagen - Bild formt. Diese fragmentarische Struktur verlangt Aufmerksamkeit.

Es entsteht eine dichte Atmosphäre, dicht aber in zweierlei Hinsicht. Auf der einen Seite lässt uns Mathieu an vielen emotionalen Facetten seines Protagonisten teilhaben. Er verknüpft diese mit Personen, die ihn umgeben - Vater, Sohn oder Geliebte. Auf der anderen Seite entstehen eine gewisse Undurchdringlichkeit und Unnahbarkeit. So wandeln wir stets zwischen Nähe und Distanz, wollen tiefer abtauchen, durchdringen aber immer nur punktuell die Oberfläche.

Mathieu schreibt dabei in kraftvoller, nuancierter Sprache. Es entstehen teils überaus gelungene Bilder voller Poesie, schön – ohne je ins Kitschige abzugleiten. Die emotionale Dichte des Textes durchzieht eine nicht unangenehme Schwere. Die eindringliche Reflexion des Protagonisten wirkt aber im weiteren Verlauf immer mal wieder zäh. Gedankliche Umkreisungen führen zu Wiederholungen, dann zu Längen. Bei nur 93 Seiten Umfang ein doch auffälliges Phänomen.

Fazit

Jede Sekunde ist eine stilistisch zwar fein gearbeitete, aber nicht immer zugängliche und dabei fordernde Erzählung über die Liebe, Stillstand und verlorene Zeit. Nicolas Mathieu verwebt in seinem stillen melancholischen Essay Vergangenheit und Gegenwart und wirft einen leisen Blick auf ein Leben zwischen Sehnsucht, Scheitern und Erinnern. Doch der emotionale Funke, der den Leser wirklich ergreift, will sich bei mir nicht so recht entzünden.

Jede Sekunde

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