Frau im Mond

Frau im Mond
Frau im Mond
Wertung wird geladen
Carola Krauße-Reim
881001

Belletristik-Couch Rezension vonJul 2025

Ein großer Fabulierer erzählt.

Pierre Jarawan wurde 1985 in der jordanischen Hauptstadt Amman geboren. Seine Eltern, die Mutter Deutsche, der Vater Libanese, waren vor dem Bürgerkrieg im Libanon geflüchtet. Im Alter von 3 Jahren kam Jarawan nach Deutschland, wo er heute noch lebt. Er ist Journalist, Fotograf und Autor von inzwischen drei Romanen, die alle mit dem Libanon zu tun haben. „Am Ende bleiben die Zedern“ und „Ein Lied für die Vermissten“ fanden großen Anklang und wurden mit Preisen ausgezeichnet. „Frau im Mond“ könnte sich in diese Erfolge einreihen.

Kanada und der Libanon

1920 verlässt das Kind Maroun el-Shami Beirut und emigriert mit Mutter und Onkel nach Montréal, Kanada. Dort sieht er den Film „Frau im Mond“ im Kino und ist seitdem von der Raumfahrt fasziniert. Am 4.8.1966, inzwischen verheiratet, Vater und in den Libanon zurückgekehrt, startet er mit der Libanese Rocket Society die erste libanesische Rakete von Beirut aus in den Weltraum. 54 Jahre später, am 4.8.2020, detoniert ein Silo im Beiruter Hafen und zerstört große Teile der Stadt. Marouns Enkelin Lilit erlebt es mit, weil sie sich von Montréal aus auf den Weg gemacht hat die Geschichte ihrer Familie zu ergründen. Diese ist gezeichnet von Vertreibung, Verlusten und Gewalt, aber auch von Träumen und Hoffnungen

Lilit erzählt

Jarawan lässt Lilit die Geschichte aus ihrer Sicht erzählen, wobei sie quasi vom Ende an den Anfang zurückgeht. Dabei werden immer mehr Erzählschichten auf die schon bekannten gelegt, wie bei einem Baklava ihrer armenischen Großmutter. Doch dabei verzettelt sich Jarawan. Er schneidet einfach zu viele Themen an und macht Nebenstränge auf, in denen er Protagonisten prominent einführt, die aber für die eigentliche Geschichte kaum von Belang sind. Der Genozid an den Armeniern steht als familiäre Tragödie im Mittelpunkt, daraus ergeben sich dann aber auch die Themen der libanesischen Seidenherstellung unter brutalen Bedingungen; die Folgen von Bürgerkrieg und Inflation im Libanon; der Niedergang Beiruts von der kosmopolitischen Stadt zu einer Problemcity im Nahen Osten und viele mehr. Als Bindeglied fungieren immer die Libanese Rocket Society und Anoush, die Großmutter. Lilits Weg zur Selbstfindung ist damit auch ein Porträt der Geschichte des Libanon.

Durchhalten lohnt sich

Das Buch hat fast 500 Seiten – es ist Durchhaltevermögen gefragt. Das Erzählte zieht sich teilweise und manchmal verliert man sich in den Nebensträngen, sodass die Rückkehr zur Kerngeschichte nicht immer leicht ist. Doch Weiterlesen lohnt sich, denn Jarawan spannt einen Bogen bis zum 4.8.2020, der sowohl eine ungewöhnliche Familiengeschichte mit verbundener Identitätssuche ist, als auch einen Einblick in die Geschichte des Libanon liefert. Vor allem der Genozid an den Armeniern ist sehr persönlich dargestellt. Anoush und ihre Familie überlebten nur teilweise, wurden auseinandergerissen und machten Grausames durch. Nach und nach deckt Lilit auf, was damals geschah. Das macht den Roman nicht immer leicht zu verdauen, doch manchmal hervorblitzender Humor macht da Manches wieder wett.

Fazit

„Frau im Mond“ ist eine Familiengeschichte, in der Pierre Jarawan wieder einmal den Libanon thematisiert. Manchmal etwas zu ausschweifend, lohnt sich die Lektüre dennoch, denn sie verbindet eine Familiengeschichte mit dem Schicksal eines ganzen Landes.

Frau im Mond

Pierre Jarawan, Berlin

Frau im Mond

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Frau im Mond«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Film & Kino:
The Crown - Staffel 3

Die Queen in ihrer vordergründig repräsentativen Rolle ist eine zeitgeschichtliche Ikone, sodass der Erfolg der seit 2016 bei Netflix laufenden Serie „The Crown“ nicht verwundert. Die dritte Staffel markiert allerdings einen Umbruch: Die Royal Family ist in den 60er-Jahren angekommen und viele Rollen werden neu besetzt, da auch die Blaublüter nicht vor dem Altern gefeit sind. Titel-Motiv: © Des Willie / Netflix

zur Film-Kritik