Die Frau hinter der Bühne

Die Frau hinter der Bühne
Die Frau hinter der Bühne
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Monika Wenger
751001

Belletristik-Couch Rezension vonJun 2025

Gefangen zwischen zwei Welten und beeinflusst von der Familiendynamik.

Für Mairéad Sweeney geht mit der Anstellung als Garderobenassistentin in London ein grosser Wunsch in Erfüllung. Endlich kann sie ihr Heimatdorf Sligo in Irland verlassen. Doch die Welt rund um das heruntergekommene Theater im Londoner West End unterscheidet sich nicht wesentlich von der in Irland. Dennoch überfällt Mairéad hin und wieder das Heimweh.

«Das Bedürfnis, nach Hause zu fahren, jemanden mit meinem Akzent Dinge sagen zu hören, die ich verstand, fühlte sich an wie Trauer.»  

Passivität als Selbstschutz

Die Aufgaben der jungen Irin im Theater sind vielfältig. Sie reichen von Flick- und Näharbeiten bis hin zum Waschen der Theaterkostüme des Ensembles. Dazu kommen die Schuhe, die zum Schuster gebracht werden müssen und die Nahtstrümpfe, die es nur im Sexshop zu kaufen gibt. Immer geht es hektisch zu. Der Tag ist vollgepackt mit Arbeit. Die Theatercrew nimmt die flinken Hände im Hintergrund kaum wahr. Und wenn, dann nur um sich über sie zu beschweren. Doch Mairéad hat ein Händchen für ihre Arbeit. Sie bekommt dabei die Abneigung der Engländer gegen die Iren zu spüren, denn diese gelten als rückständig und ignorant. Da ist es einfacher, seine Herkunft nicht explizit zu erwähnen.

Immer wieder stellt sich Mairéad die Frage, wie es in ihrem Leben weitergehen soll. Sie mag sich und ihren Körper nicht. Zudem ist sie schüchtern. Diese Schüchternheit und ihre Passivität sind jedoch reiner Selbstschutz. Auf keinen Fall will sie sich exponieren. Ihr grösster Traum ist es, das London College of Fashion zu besuchen und zu studieren. Aber wie soll sie ihr Ziel erreichen, hier in diesem abgewirtschafteten Theater, wo alle unter dem Kostendruck leiden? Wie soll sie das Studium mit ihrem kleinen Gehalt finanzieren? Überraschend stirbt ihre Grossmutter und Mairéad reist zurück nach Irland. Zurück in die bedrückende Welt ihrer irischen Familie.

Gefangen in zwei Welten

Elaine Garvey beschreibt das Theaterleben sehr ausführlich und blickt hinter die Kulissen. Es gibt Höhepunkte in Form von Lob, aber eben auch Demütigungen, Sticheleien und Sexismus. Im Mittelpunkt steht zweifellos die Protagonistin, die ihre Heimat Irland verlassen hat, um in London ein neues Leben zu beginnen. Ihr mangelt es an Selbstvertrauen und an Durchsetzungsvermögen. Ihre Gedanken beschäftigen sich noch viel zu oft mit der Vergangenheit. Aber sie hat einen Traum.

Die Handlung umfasst nur die Tage vom 28. März bis zum 8. April 2002. Elf Tage, die die Autorin in zwei Teile gliedert. Im ersten Teil ist die Erzählweise abgehackt und sprunghaft. Von der Gegenwart geht es in die Vergangenheit und in einem Atemzug auch wieder zurück. Oft ist nicht klar, wer genau was denkt. Das ist sehr anstrengend und erfordert Konzentration beim Lesen.
Im zweiten Teil kehrt Mairéad zur Trauerfeier ihrer Grossmutter nach Sligo zurück. Nun ändert sich die Tonalität und die Geschichte lässt sich flüssiger lesen. Es scheint, als hätte sich die Autorin beim Schreiben dieses Teils wohler gefühlt. Alles wirkt authentischer. Nun erfährt man wichtige Einzelheiten aus Mairéads Vergangenheit, wodurch sich eine Nähe zur jungen Frau entwickelt. Zu ihr, die sich gerne entfalten möchte, sich aber noch zu fest an die Vergangenheit klammert.

«Hätte ich eine Zweizimmerwohnung, würde ich ständig das Gefühl haben, im falschen Zimmer zu sein.»

Beeindruckend ist die Intensität und die Fülle an Themen, die die Autorin in diesem kurzen Zeitraum vermittelt. Es ist eine Zeitreise, die doch nur ein paar Tage dauert.

Fazit

Der Einstieg in die Geschichte ist nicht ganz einfach. Ein beinahe rauschhafter Schreibstil, der vermutlich die Gedankenströme der Protagonistin widerspiegeln sollen, erschwert den Lesefluss. Doch das Durchhaltevermögen wird belohnt, denn im zweiten Teil ändert sich dies und dieser zeigt Mairéads Verwandlung. Elaine Garvey schreibt auf bedrückende und zugleich berührende Weise über Sehnsucht, Einsamkeit, Selbstzweifel und Träume.

Die Frau hinter der Bühne

Elaine Garvey, Droemer

Die Frau hinter der Bühne

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