Zerstörerisches Verschweigen.
Für Nayan Olak ist es das Ziel seines Lebens – er kandidiert für den Posten als Generalsekretär der großen britischen Gewerkschaft. Ihn treibt dabei der Wunsch an, die Welt etwas besser zu gestalten, so wie er sie sich für seinen verstorbenen Sohn gewünscht hätte. Doch sein sicher geglaubter Sieg droht zu scheitern, als im Wahlkampf Nayans Glaubwürdigkeit in Frage gestellt wird. Als sich dann die Frage, wer Schuld am Tod seines Sohnes hat, zu klären scheint, erschüttert ihn dies tief. Er gibt seine Ideale auf und wird antirassistischer Aktivist.
Ein scheinbar unbedeutender Entschluss und seine gewaltigen Konsequenzen
Bald darauf trifft er Sajjan Dhanoa wieder, der ebenfalls aus Chesterfield stammt und wie Nayan indische Wurzeln hat. Die beiden kennen sich flüchtig aus der gemeinsamen Jugend, ihre Eltern waren befreundet. Sajjan ist inzwischen ein erfolgreicher Schriftsteller und sieht in Nayans Leben Stoff für einen Roman. Najan erzählt ihm auf langen gemeinsamen Wanderungen seine Lebensgeschichte.
Beeindruckend schildert Sajjan Nayans Familiengeschichte, das aus einem unbedeutenden Entschluss resultierende dramatische Geschehen in der Brandnacht und Nayans Leben danach, welches durch die Betreuung des demenzkranken Vaters zusätzlich belastet ist.
Dann ist da die Geschichte Helens, die mit ihrem Sohn Brandon zurück in ihre Heimatstadt Chesterfield geht, als dieser wegen Rassismusvorwürfen in London gemobbt wird . Zwischen ihr und Nayan entwickelt sich eine zaghafte Beziehung, die jedoch scheitert.
Und schließlich erzählt Sajjan von der Kampagne um den Gewerkschaftsposten, der Nayan nach seinem jahrelangem Einsatz für die Rechte der Arbeitnehmer von allen Seiten verdient erscheint. Das Agieren seiner unerwarteten Mitbewerberin, wie er mit indischen Wurzeln, und deren völlig anderer Blick auf die gesellschaftlichen Aufgaben der Gewerkschaft hinsichtlich der Fragen von Integration und Diversität bringt Nayans sicher geglaubten Sieg ins Wanken. Dieser Teil der Geschichte ist sicherlich nur vor dem Hintergrund der britischen Gesellschaft vollständig einzuordnen.
Suche nach Wahrheit
Ich fand es zunächst etwas mühsam, in das Geschehen hinein zu finden. Neben den unterschiedlichen zeitlichen Ebenen, hatte ich Schwierigkeiten mit den verschiedenen Erzählsträngen, die zwar gut entwickelt, aber doch nebeneinander stehen bleiben und deren Verbindung erst gegen Ende deutlich wird. Die Darstellung der vielen Charaktere kann dagegen, gerade auch die im Hinblick auf die Rassismus-Thematik, überzeugen.
Der Autor lässt Sajjan lange in der Rolle des neutralen Erzählers. Als er gegen Ende von Nayans Bericht erkennen muss, wie eng seine Familie mit dem Geschehen rund um den Brand verbunden ist, wird Sajjan aktiv in die Geschichte einbezogen. Er sieht sich schließlich selber zum Handeln gezwungen, um lang gehütete Geheimnisse um tatsächliche und vermeintliche Schuld zu lüften. Dieser Wechsel vom distanzierten Erzähler zum wichtigen Akteur ist spannend inszeniert und sorgt für ein beeindruckendes Ende.
Fazit
Ein lesenswerter Roman um die dramatischen Konsequenzen einer scheinbar nebensächlichen Entscheidung und das lange Verschweigen der Wahrheit, der mit einem überraschenden und gut konzipierten Schluss glänzt.

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