Ein erschütterndes Thema zu oberflächlich umgesetzt.
Lesen und eigene Geschichten verfassen, waren schon immer ein Teil des Lebens von Katharina Fuchs. Doch Studium und Arbeit nahmen für die Juristin viel Zeit in Anspruch, sodass sie erst in der Elternzeit dazu kam, einen Roman zu verfassen, der dann auch veröffentlicht wurde. Mittlerweile ist Fuchs hauptberuflich Autorin. Sie hat sich einen festen Platz in der Belletristik erobert und kann auf eine treue Fangemeinde zählen. Schon einmal hat Katharina Fuchs aus dem Fundus der eigenen Familiengeschichte geschöpft und auch in ihrem neusten Roman „Vor hundert Sommern“ verwebt sie das Leben ihrer Großtante Clara mit fiktionalen Elementen.
Ein Nachlass und viele Fragen
Lena räumt zusammen mit ihrer Mutter die Wohnung ihrer Oma aus. Viele Erinnerungen sind an das Haus in der Mommsenstraße in Berlin-Charlottenburg geknüpft, doch was Lena im Keller entdeckt, ist neu. Diverse Gerätschaften zur Hundepflege werfen Fragen auf und führen zu Clara, die in den 1930 Jahren einen Hundesalon in Berlin führte. Doch mit Clara kommt auch ein Geheimnis zu Tage, das nur Lenas Oma lüften kann und, das ein sehr trauriges Kapitel der deutschen Geschichte noch trauriger macht.
Unterschiedliche Zeitebenen und Perspektiven
Katharina Fuchs lässt unterschiedliche Protagonistinnen ihre Geschichte erzählen. In der Gegenwart sind das Lena und ihre Mutter Anja. Clara wiederum lässt uns an ihrem Leben in den 1920er und 1930er Jahren teilhaben. Diese Zeitebene zeigt uns den Aufstieg der Nationalsozialisten und die Probleme, die damit einhergingen. Clara berichtet von dem Aufbau ihres Hundesalons; einer Liebe, die scheitert und einer, die gelingt - und von Mathilde, ihrer Schwester. Die Zeitebene der Vergangenheit rettet den Roman, denn was Anja und Lena von sich geben, ist geprägt von Klischees und Banalitäten. Der Drang, populäre Themen, wie nachhaltige Haushaltsführung und der aufkeimende Antisemitismus mit seinen Vorkommnissen an Berliner Hochschulen unterzubringen, hat dazu geführt, dass der Roman vollgestopft ist mit Pauschalitäten. Dazu verzettelt sich die Autorin in Kleinigkeiten. Jede Tasse Kaffee wird erwähnt, vom fehlenden Hundefutter ganz zu schweigen und manche Kapitel erscheinen zum Vortrieb der Handlung gar völlig belanglos zu sein. Erst ganz zum Schluss wird klar, auf welches Thema die Autorin überhaupt hinauswill. Doch seine Tragik geht in der zu trivial gehaltenen Geschichte unter.
Ein Unterhaltungsroman ohne Suchtfaktor
Ist das traurige Thema schon inhaltlich wenig packend umgesetzt, reißt der Stil leider auch nichts mehr. Wenig fordernd und ohne sprachlichen Tiefgang macht er das Buch bedauerlicherweise nur zu einem durchschnittlichen Unterhaltungsroman ohne großen Suchtfaktor. Das wird dem Kern der Geschehnisse zwar nicht gerecht, doch vielleicht wird dadurch eine breitere Leserschaft, für die sprachliche Raffinesse und inhaltliche Komplexität nicht an erster Stelle steht, angesprochen. Es wäre wünschenswert, denn was Clara und der Familie ihrer Schwester passiert, sollte uns alle zum Nachdenken anregen.
Fazit
Ein Generationenroman, der die Leserschaft vor keine großen Herausforderungen stellt. Dennoch hat Katharina Fuchs sich ein Thema ausgesucht, über das man nachdenken sollte. Es wirft noch dunklere Schatten auf ein eh schon düsteres Kapitel unserer Vergangenheit.

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