Die Frau und der Fjord

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Monika Wenger
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Belletristik-Couch Rezension vonMai 2025

Zeit und die Natur entfalten eine heilende Wirkung.

Sechzehn Jahre war Gro mit Nicklas verheiratet, als er bei einem Unfall ums Leben kommt. Gros Trauer ist grenzenlos. Es fällt ihr unsagbar schwer, sich davon zu befreien. Sie wird menschenscheu und zieht von Stavanger an einen einsamen Fjord auf den Lofoten. Hier will sie sich ganz ihrem Kummer hingeben.

Durch das tiefe Tal der Trauer

Nicklas und Gro sind ein ungleiches Paar. Beide sind Geologen und seit dem Studium zusammen. Während er lieber im Büro sitzt, liebt sie das harte Leben auf einer Ölplattform. Nun ist Nicklas verunglückt. Gro bricht mit ihrem alten Leben und zieht in ein altes Haus am Fjord. Das Haus stand lange leer und hat eine eigene Geschichte. Jetzt ist es Gros Rückzugsort. Allein, nur mit ihrer grossen Trauer und dieser unermesslichen Leere, die nie nachlässt. Der einsetzende Winter mit Schnee und Eis spiegelt ihr Inneres exakt wider.
Dann, nach Monaten der selbst gewählten Isolation und mit dem Einzug des Frühlings, findet Gro langsam ins Leben zurück. Sie beginnt, sich für ihre Umgebung zu interessieren und unternimmt erste Erkundungstouren in und um ihr Zuhause. Die Natur hilft ihr, vorerst in kleinen Schritten, über den grossen Schmerz hinweg.

«Konnte sie auf Dauer wirklich allein und ohne jegliche Kontakte leben? War sie in der Lage, für immer darauf zu verzichten? Auf Berührungen, Gespräche? Zärtlichkeiten? Intimität? In den Arm genommen zu werden, eine warme Hand auf ihrer Haut zu spüren? Das Lächeln in den Gesichtern anderer Menschen zu sehen?»

Aber nicht nur die Natur hilft Gro. Schliesslich muss sie mit ihrem Boot zurück in die Zivilisation um einzukaufen. Begegnungen mit Menschen lassen sich nicht vermeiden. Es kommt zu ersten zaghaften Kontakten. Als während eines Sturms der Fischer Jens mit seinem Boot in Gros Fjord strandet, verändert sich ihre Welt schlagartig. Sie muss sich um den Verletzten kümmern und seine Familie benachrichtigen. Ihr Rückzugsort wimmelt plötzlich von Menschen.

Das Wunder der Natur

Gros Geschichte ist eine Geschichte über den Verlust eines geliebten Menschen und die scheinbar nie endende Trauer. Annette Strohmeyer erzählt ruhig von Gros grossem Kummer, denn der Verlust von Nicklas hat sie völlig aus der Bahn geworfen. Ihre einzige Reaktion auf seinen Tod ist der totale Rückzug aus ihrem alten Leben. Die selbst gewählte Einsamkeit hilft ihr, zu trauern und zu sich selbst zu finden. Zweifellos braucht das seine Zeit.

«Die Stille war inzwischen fest mit Gro verwachsen, als wären sie Zwillinge. Aber die Einsamkeit, die war weitergezogen.»

Der Fjord wird zum Spiegel von Gros Befindlichkeit. Mal ist es stürmisch, rau. Dann wieder ist alles ruhig, die See glatt. Annette Strohmeyer erzählt dieses Auf und Ab ruhig und unaufgeregt. Das wirkt besonders intensiv. Faszinierend sind die Beschreibungen der Inselwelt der Lofoten mit denen die Autorin ihre Geschichte ergänzt. Lebendig beschreibt sie Fauna und Flora. Aufschlussreich sind auch ihre Ausführungen über die norwegische Ölförderung in der Nordsee und die Absicht, auch auf den Lofoten nach Öl zu suchen - was die engagierten Inselbewohner zu verhindern wussten.

Fazit

Es ist ein bewegender Roman über den Verlust und die Trauer um einen geliebten Menschen. Dennoch hat er eine positive Grundtendenz, die von Heilung und Selbstfindung erzählt. Ein atmosphärisches und berührendes Buch, das durch seine Unaufgeregtheit und seine Tiefe überzeugt. Eindrückliche Naturbeschreibungen und perfekt gestreute Spannung runden das Ganze ab. 

Die Frau und der Fjord

Anette Strohmeyer, Wunderlich

Die Frau und der Fjord

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