Eine komplizierte Familiengeschichte.
Die Fotografin und Schriftstellerin Rabea Edel überzeugte schon mit ihrem Debütroman „Das Wasser, in dem wir schlafen“. Auszeichnungen folgten auch für ihren zweiten Roman und diverse Kunstbücher. „Portrait meiner Mutter mit Geistern“ basiert „auf wahren Begebenheiten“ und Edel wandelt, zumindest ein wenig, auf eigenen Pfaden, denn ihre Protagonistin Raisa ist, wie sie, 1982 in Bremerhaven geboren.
Geschichte der Frauen einer Familie
Raisa und ihre Mutter Martha haben die „Wanderjahre“ hinter sich gelassen. Jetzt ziehen sie nicht ständig um, sondern bleiben. Jetzt heißt Raisa auch endlich nicht mehr Dina, sondern hat ihren richtigen Namen wieder. Und sie hat in Mat einen Freund gefunden. Doch Fragen an die Mutter nach der Vergangenheit bleiben weiterhin unbeantwortet. Schweigen war schon immer groß geschrieben in der Familie, deren Frauen Schreckliches erlebt haben, aber keine Worte dafür finden können oder wollen. Diese Frauen sind Dina, Selma und auch Martha – Raisas Urgroßmutter, Oma und Mutter. Nach und nach kommen ihre Geheimnisse ans Licht und enden in einem Punkt, der alles erklärt.
Fragen ohne Antworten
Immer wieder springt Rabea Edel zwischen den Orten und den Zeiten. Nach und nach lernt man die Familie von Raisa kennen und es ist klar, dass es hier mehr Verschwiegenes als Ausgesprochenes gibt. Doch das Schweigen lastet auf den Frauen, die Verluste und Gewalt überstehen und mit den Folgen leben müssen. Langsam tut sich die Vergangenheit auf, die aber nicht immer einfach zu verstehen ist, da auch Rabea Edel nicht alles ausspricht.
Themen, wie die Judenverfolgung und sexuelle Gewalt werden angesprochen und müssen auch von der Leserschaft erst einmal verdaut werden. Damit ist der Roman zwar eine Familiengeschichte, aber eine, die es in sich hat. Der ständige Zeiten-, - Ort,- und Personenwechsel gepaart mit einer literarisch hoch angesiedelten Sprache verlangen viel Aufmerksamkeit und Konzentration. Eine Lektüre für zwischendurch ist „Portrait meiner Mutter mit Geistern“ garantiert nicht.
Keine greifbaren Protagonistinnen
Der ständige Wechsel zwischen den Protagonistinnen bedingt, dass keine von ihnen wirklich greifbar ist. Zu viel passiert außerhalb des Erzählten und wiederum wird zu viel verschwiegen. Das macht eine Bindung an die Geschichte nicht ganz einfach. Erst langsam kristallisiert sich einiges aus der Vergangenheit heraus und macht die Frauen nahbarer. Die Verknüpfung der Schicksale und vor allem die Parallelität aber machen eine besondere Anziehungskraft aus, sodass die immerhin fast 400 Seiten dennoch schnell gelesen sind.
Fazit
Eine Familiengeschichte, die Aufmerksamkeit und Ausdauer verlangt. „Portrait meiner Mutter mit Geistern“ ist eine Herausforderung, die es anzunehmen lohnt und die zum Schluss mit einer Offenbarung aufwartet, die so manches aus der Vergangenheit der Frauen erklärt und dem Schweigen ein wenig die Schärfe nimmt.

Deine Meinung zu »Portrait meiner Mutter mit Geistern«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!