Sommer ohne Plan

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Thomas Gisbertz
801001

Belletristik-Couch Rezension vonApr 2025

Ein ungemein warmherziges und humorvolles Buch. Cassi muss man einfach mögen.

Dass ihr die Dinge einfach egal sind, ist nur eine Sache unter vielen, die sich im letzten Jahr geändert haben. Cathrin Ekman, genannt Cassi, hat keinen Kontakt mehr zu ihren Freunden und in gewisser Weise auch nicht mehr zu sich selbst. Die allzu perfektionistische junge Frau, zuvor eine hochangesehene Restaurantmanagerin in Stockholm, erleidet einen Burnout. Sie zieht sich immer mehr in ihre gemietete Souterrain-Wohnung zurück und verlässt sie nur, um ihrem neuen, tristen Job im Supermarkt nachzugehen. Cassi verfolgt für ihre Tage nur ein einziges Ziel: dass sie enden. Ihr Alltag lässt sich nur mit einem konstanten Alkoholpegel durchstehen. Im betrunkenen Zustand kontaktiert sie eines nachts einen Makler, der ein altes, renovierungsbedürftiges Haus in Bäcken anbietet.

Cassi erkennt, dass sie so mit ihrem Leben nicht weitermachen kann und fasst einen spontanen Entschluss: Sie kauft die alleinstehende Waldhütte und zieht mit ihrem Hund Maine aufs Land. Doch dummerweise geht im nahegelegenen Dorf bald das Gerücht um, sie wäre ein erfahrener Selbsthilfe-Guru. Immer mehr ihrer neuen Nachbarn bitten sie um Hilfe. Als Cassi die Chance verpasst, das Missverständnis aufzuklären, beschließt sie, einfach mitzuspielen. Ohne genau zu wissen warum, beginnt sie Aufträge anzunehmen. Mit ihrer neuen „Arbeit“ tritt sie ungewollt eine Lawine von Ereignissen los - bis jemand aus ihrer Vergangenheit ihr Geheimnis aufdeckt. Ausgerechnet Cassi mit ihrem starken Kontrollbedürfnis scheint wieder zunehmend alles zu entgleiten. Wie hatte sie nur glauben können, das Leben könnte nun wieder unbeschwert und unkompliziert sein?

Debütroman

Johanna Swanberg, geboren 1974, ist Journalistin, Podcasterin und Autorin mit Zeitungs-, Fernseh-, Radio- und PR-Erfahrung. Sie lebt mit zwei Kindern, zwei Hunden und einem Mann in Stockholm. „Sommer ohne Plan“ ist ihr Debütroman. Er stand 2024 auf der Shortlist des „Adlibris Award“ für das beste Debüt des Jahres in Schweden. Ein überaus gelungener Roman über Einsamkeit, aber auch Lebensfreude, der vor allem aufgrund seiner wunderbaren Figurendarstellung und der eingängigen Dialoge zu überzeugen weiß.

Der Weg zu sich selbst

Cassi hat nicht immer Instantkaffee aus der PET-Flasche zum Frühstück getrunken oder ihre Abende betäubt mit Wein verbracht. Gerade noch war sie die schöne Perfektionistin, die als Chefin im Restaurant, im Fitnessstudio oder unter Freunden glänzte. Doch eine gescheiterte Beziehung lässt ihr scheinbar perfektes Leben wie eine Seifenblase zerplatzen. Nun beginnt für sie auf dem Land eine neue Zeit. Ihr Ziel: vom absoluten Tiefpunkt zurück zu sich selbst finden.

Nach und nach lernt sie die Dorfbewohner kennen, die unterschiedlicher kaum sein könnten: die extrovertierte Marlene, die nach ihrer zweiten Scheidung das Leben mit jungen Männern genießt, den griesgrämigen Hans, der mit seiner Frau Grete einen Supermarkt betreibt, Fia, die quirlige Kassiererin im Landmarkt oder die trübsinnige Alida, die sich um Alpakas kümmert.

Aufgrund einer unbedachten Aussage Cassis gegenüber dem Makler beim Besichtigungstermin glauben alle, dass sich die neue Dorfbewohnerin mit Esoterik und Selbsthilfe auskennt. Statt das Missverständnis aufzulösen, bietet Cassi allen über kurz oder lang Hilfe an: Meditation, Atemtherapie, Healing, Visualisierung, Massage, Energien und Ströme, magische Steine, Karten- und Handlesen. Was sie nicht kennt, erfindet sie einfach. Man öffnet ihr bereitwillig das Herz, denn schließlich fällt alles unter die Schweigepflicht. Und der Erfolg ihrer improvisierten Therapie- und Yogastunden ist enorm. Mit ihrer Arbeit löst Cassi tatsächlich Ängste, Probleme und Zweifel bei den Dorfbewohnern, die mit einem Mal verändert und selbstsicher auftreten.

Der Einzige, der von Cassi keine Hilfe braucht, ist Pavel. Der wortkarge alte Mann hat eine ganz besondere Beziehung zur Waldhütte: Dort lebte bis vor wenigen Jahren seine große Liebe Karl-Adam. Ein Liebe, von der niemand etwas wissen durfte. Während Pavel Cassi bei der Renovierung des Hauses hilft, freunden sich beide zunehmend an und erzählen einander von ihren Geheimnissen. Cassi überredet Pavel sogar, Karl-Adam im Heim, in dem er nun lebt, zu besuchen. Während es für Pavel eine Reise in die Vergangenheit wird, findet Cassi auch durch die neugewonnene Freundschaft langsam wieder zu sich selber.

Das Leben leben

Swanberg gelingt es, mit großer Leichtigkeit, Lebensfreunde und viel Humor eine Geschichte zu erzählen, die auch ernste und leise Momente enthält. Besonders die Darstellung des Dorflebens - mit einer gehörigen Portion Tratsch, Engstirnigkeit, aber auch Lust auf das Leben - gelingt wunderbar. Dafür sorgt vor allem die junge Cassi - eine Figur, die man nur lieben kann. Vor allem aber geht es im Roman um menschliche Wärme und Beziehungen, die auf ganz gewöhnliche Weise zur „Heilung“ aller beitragen, indem man zuhört und füreinander da ist. Vielleicht gelingt dies wirklich nur auf dem Land.

Fazit

Johanna Swanberg erzählt in ihrem Debütroman „Sommer ohne Plan“ eine ungemein unterhaltsame, warmherzige Geschichte über Einsamkeit, Freundschaft, Zuneigung und das Landleben - mal traurig und zutiefst bewegend, mal skurril und humorvoll. Ein Roman, wie gemacht für die kommenden warmen Sommertage.

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