Wo der Name wohnt

Wo der Name wohnt
Wo der Name wohnt
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Carola Krauße-Reim
881001

Belletristik-Couch Rezension vonApr 2025

Namen können Identität und Geschichte bedeuten.

Ricarda Messner, Jahrgang 1989, ist Mitbegründerin und Herausgeberin von „Flaneur“. In jeder Ausgabe dieses Magazins wird eine Straße in einer Stadt vorgestellt. Orte scheinen für die Autorin wichtig zu sein, denn auch in ihrem Roman-Debüt spielen diese eine große Rolle.

Hausnummer 36 und 37

Großmutter und Enkelin wohnen dicht beieinander – die eine in Nummer 36, die andere in Nummer 37 in derselben Straße. Dann stirbt die Großmutter und die Wohnung muss ausgeräumt werden. Das ist der Beginn eines Nachdenkens über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Enkelin möchte den Namen der Großeltern annehmen, damit die Familie durch sie weiter existiert. Eine Familie, die vor vielen Jahren aus Riga nach Deutschland kam, einem Staat mit dem sie vor allem Negatives verband.

Eine Enkelin-Großmutter-Beziehung

Ausgerechnet als die Großmutter stirbt, ist die Enkelin nicht da. Doch die Erzählerin spürt, dass mit dem Tod eine Beziehung nicht endet. Es ist in ihrem Fall der Beginn eines Nachforschens und Nachfühlens über die Familie und damit eine eigene Identitätssuche. Die endet in dem Wunsch den „Vaternamen“ abzulegen und den Namen der Großeltern anzunehmen – Levitanus. Dieser Name und die jahrelange räumliche enge Nachbarschaft ist für die Erzählerin zum Teil ihres eigenen Seins geworden. Der Name bedeutet auch einen Triumph über die Vergangenheit, denn die jüdischen Großeltern und ihre Familien hatten zuerst unter den Nazis zu leiden und dann unter der Sowjetischen Besatzung ihres Heimatlandes Lettland. „Wo der Name wohnt“, wohnt auch die Familie verbunden mit ihrer Geschichte, lebend in ihrer Gegenwart und in Erwartung auf die Zukunft.

Berührend und einfühlsam

Ricarda Messner schafft es, die ganze Zuneigung und Geborgenheit bei den Großeltern in ihrer Wohnung zu vermitteln. Sie erzählt vom Frühstück mit Kascha, dem zahnlosen Mund des Großvaters, der Musik im Radio, den Ordnern der Großmutter, in denen sie alphabetisch alles gesammelt und eingeheftet hat und von Vielem mehr. Die nicht einmal 170 Seiten sind pure liebevolle Erinnerung und gleichzeitig die Frage nach der Zukunft. Wie soll die Enkelin weiterleben mit dem „Vaternamen“, wenn der Staat ihr die Änderung in den Namen „Levitanus“ verweigert? Denn Namen sind ein großer Teil der Identität, nicht nur des Trägers, sondern der ganzen Familie und damit auch eine Art Erhaltung der Erinnerung. Das vermittelt Messner eindrücklich, ebenso wie die Erinnerung an die Wohnung der Großeltern mit dem Acrylregal im Wohnzimmer und den Fotos. Auch sie stellt für sie auch ein Teil der Geborgenheit dar. „Wo der Name wohnt“ ist aber keine lapidare Familiengeschichte, sondern fordert von der Leserschaft Aufmerksamkeit und auch Nachdenken – denn die Frage nach der Bewahrung der Familienidentität ist keine exklusive Angelegenheit.

Fazit

Das Roman-Debüt von Ricarda Messner ist eine liebevolle Hommage an ihre Großeltern und gleichzeitig der einfühlsame Versuch, die Familienidentität zu bewahren. „Wo der Name wohnt“ ist eine Familiengeschichte, die anrührt und gleichzeitig zum Nachdenken auffordert, denn die Bewahrung von Erinnerungen und Familienidentität dürfte viele von uns interessieren.

Wo der Name wohnt

Ricarda Messner, Suhrkamp

Wo der Name wohnt

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