Nimms nicht persönlich
- Kein & Aber
- Erschienen: April 2025
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Der Wolf im Schafspelz.
Auf den ersten Blick sieht Lute aus wie ein richtiger Outdoortyp: sonnengebräunt mit drahtigen Waden. Er ist vierzig, hat aber ein extrem jungenhaftes Gesicht. Hätte er Geschmack, könnte er eine beeindruckende Erscheinung sein, aber die Jackenärmel sind zu kurz und seine Hose ist zu eng, was seine schlaksige Figur unterstreicht. Und er ist alles andere als ein taffer Typ. Lute arbeitet als Qualitätsmanager beim großen Pharmakonzern Aletta, dessen Zentrale in der idyllischen Veluwe in Mitten einer Wald- und Heidelandschaft liegt. Doch mit Lutes beschaulichen Leben ist es auf einmal vorbei. Wegen der Übernahme der Firma durch einen Schweizer Investor soll plötzlich seine gesamte „Sales & Quality“-Abteilung wegrationalisiert werden. Ansonsten platzt der Deal.
Das Problem: Geld für Abfindungen steht nur begrenzt zur Verfügung und einfach kündigen kann man das Personal nicht. Lute soll endlich beweisen, dass er Führungsstärke besitzt. Doch wie soll der überforderte Manager seine 32 loyalen Kollegen, mit denen er zum Teil auch befreundet ist, dazu bewegen, von sich aus zu kündigen? Die Lösung tritt durch Zufall in Person des rätselhaften Lombards auf, eines selbstständigen Personalvermittlers, der Lute seine Dienste anbietet. Dieser ist erleichtert, die Verantwortung abgeben zu können. Und tatsächlich: Lombard sorgt dafür, dass ein Mitarbeiter nach dem anderen verschwindet, und Lute kann seine Hände in Unschuld waschen. Doch mit den ersten Todesfällen wird klar, dass er einem Wolf im Schafspelz Tür und Tor geöffnet hat.
Podcaster und Schriftsteller
Tom Hofland, 1990 geboren, ist Romanautor, Dramatiker und Podcast-Redakteur. Sein dritter und aktueller Roman „Nimms nicht persönlich“, der 2022 veröffentlicht wurde und nun im Züricher Kein & Aber Verlag für den deutschen Sprachraum erscheint, wurde mit dem BNG Bank Literaturpreis und dem Internationalen Literaturpreis der Stadt Como ausgezeichnet. Es ist gleichzeitig Hoflands erster Roman, der auf Deutsch erscheint. Neben Romanen schreibt er auch Theaterstücke und ist als Radio- und Podcast-Produzent erfolgreich.
Schwach und ängstlich
Lute ist trotz seiner führenden Position im Unternehmen eigentlich ein Mensch mit mangelndem Rückgrat, verängstigt und oftmals überfordert. Wie gerne würde er einmal eine Auszeit vom Leben nehmen. Mehr noch: „Manchmal würde ich am liebsten aus dem Leben scheiden, aber ohne zu sterben“, denkt Lute. Gleichzeitig schämt er sich für solche Gedanken, denn er führt eigentlich ein privilegiertes Leben: Finanziell geht es ihm gut und er hat seinen Traumjob. Doch ein Problem zeigt sich immer wieder: Lute kann sich nicht durchsetzen. Seinen dreijährigen Sohn Frank bekommt er so gut wie nie zu Gesicht. Dafür sorgt seine Ex Rosy. Und Lute lässt sich einfach herumschubsen. Auch der mysteriöse Lombard tritt dem naiven Manager gegenüber bestimmend auf, auch wenn er ihm scheinbar stets entgegenkommt und sein mitunter äußerst brutales Verhalten zu rechtfertigen weiß. Lute erkennt zu spät, welches Spiel der undurchsichtige Personalvermittler spielt - und das hat fatale Folgen.
Genre-Mix
„Nimms nicht persönlich“ erscheint als moderne Parabel und ist gleichzeitig eine Mischung aus Satire, Horrorgeschichte, Mystery, Groteske und Tragikomödie. Diese Melange aus verschiedenen Genres ist sicherlich reizvoll und macht das Besondere des Romans aus. Gleichzeitig fragt man sich bei der Lektüre, in welche Richtung sich der Roman bewegt. Während einige Episoden wunderbar leicht geschrieben sind und in ihrer mal humorvollen, mal skurrilen Gestaltung überzeugen, wechselt der Roman ebenso schnell wieder ins Wunderliche und Absurde. Was in seiner Erzählweise und -struktur gut umgesetzt wurde, wirkt in seiner inhaltlichen Darstellung oftmals irritierend - und dies mit Absicht. Der Roman besitzt in seiner zum Teil nicht greifbaren Komplexität und Absurdität durchaus etwas Kafkaeskes, bricht aber immer wieder bewusst mit dieser erzählerischen Gestaltung und kippt beinahe ins Banale. Dadurch wirkt der Roman in seiner Gestaltung mitunter etwas zu ambitioniert, gleichwohl gerade die ungewöhnliche Mixtur ihren ganz eigenen Reiz besitzt.
Zu überzeugen wissen vor allem die bitterbösen, schwarzhumorigen Passagen, etwa wenn Reiner, der Assistent Lombards, einem Kollegen Lutes vor dessen Augen auf brutale Weise den Schädel einschlägt, der Manager aber nicht realisieren kann oder will, was gerade geschieht, und Eis holen möchte, damit der Kollege seinen Kopf kühlen kann. Lute zeigt sich als Musterbeispiel für einen sozialen und empfindsamen Vorgesetzten, der von der Rationalität und Profitorientierung des Unternehmens selbst geschluckt wird.
Fazit
„Nimms nicht persönlich“ ist ein clever konstruierter Roman, der aber mit seinem Mix aus verschiedenen Genres nicht jedem Leser zusagen wird. Aber Autor Tom Hofland traut sich mit seiner grotesken Gesellschaftskritik etwas und man darf durchaus auf seine nächsten Romane gespannt sein.

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