Lebensklugheit und raffiniertes Vorgehen zähmen eine rebellische junge Frau.
Ausgerechnet während Marilyn mit dem Sohn des Rabbiners knutscht, zerbricht die Buntglaswand hinter der Tora und gibt den Blick in den mit Menschen gefüllten Gebetsraum frei. Die ganze Gemeinde wird Zeuge der Ungeheuerlichkeit, dass sich Marilyn und Daniel am Schabbat heimlich im Büro des Rabbiners getroffen haben.
Der Drang nach Freiheit
Natürlich hat dieses Ereignis Konsequenzen für Marilyn. Da sie sich weigert, Daniel zu heiraten – was die ganze Situation entschärft hätte –, wird sie zu ihrer Grosstante Ada nach Philadelphia geschickt. Ada wird sie unter ihre Fittiche nehmen. Als erfolgreiche Heiratsvermittlerin besitzt sie ausgezeichnete Menschenkenntnis und ist in der Lage, der jungen Frau die gesellschaftlichen Regeln beizubringen. In Marilyn sträubt sich jedoch alles gegen diese Verbannung. Schliesslich ist sie zwanzig Jahre alt und möchte einfach ihr Leben geniessen und sich nicht nach den vermeintlich verstaubten Traditionen der Gemeinschaft richten. Aber sie hat die Rechnung ohne ihre Grosstante Ada gemacht. Denn obwohl sie auf gewissen Regeln besteht, ist sie alles andere als konservativ. Geschickt bindet sie die junge Frau als Assistentin in ihre Arbeit als Schadchen (Heiratsvermittlerin) ein und erreicht so, dass Marilyn ohne Druck ihre eigenen Erfahrungen sammeln kann. Obwohl Marilyn sich über einzelne Verbote hinwegsetzt und ihre beschränkte Freiheit ausnutzt, lernt sie in diesem Sommer in Philadelphia ihre Lektion.
Rebellion und Raffinesse
Die zwanzigjährige Marilyn Kleinman ist im Jahr 1960 ihrer Zeit weit voraus. Als Tochter eines Arztes ist sie wohlbehütet und privilegiert aufgewachsen. Dennoch ist sie ein Freigeist, der sich weder vom Willen des Vaters, noch von den Regeln der jüdischen Tradition, einschränken lässt. Dass ihre Eltern um ihren Ruf fürchten und sie deshalb nach Philadelphia schicken, ist für sie unverständlich. Aber sie hat vor allem ihre Mutter, deren Idee es war, und auch ihre Grosstante völlig falsch eingeschätzt. Ein raffiniertes Vorgehen und eine lange Leine verfehlen schliesslich nicht ihre Wirkung auf die rebellische Tochter und Grossnichte.
Hinreissende Dialoge
Eigentlich erzählt der Roman die Geschichte von Ada. Die Geschichte einer unabhängigen, unkonventionellen Frau, die ihren eigenen Weg gegangen ist und nun ihre Lebenserfahrung an ihre Grossnichte weitergibt.
«Sie machte mich verrückt. Aber ich hatte noch nie jemanden so sehr bewundert wie sie.»
Der Roman lebt in erster Linie von den hinreissenden Dialogen zwischen Ada und Marilyn. Die beiden schenken sich nichts und kreuzen ihre Klingen, sodass es eine Freude ist. Sara Goodman Confino hat diese Details auf ganz besondere Weise ausgearbeitet. Sie hat eine gute Balance zwischen den Werten einer traditionsbehafteten Gesellschaft und dem unkonventionellen Lebensstil der Protagonistinnen gefunden. Mit ihrem Schreibstil gelingt es ihr, die Atmosphäre der Sechzigerjahre aufleben zu lassen. Auch wenn die Geschichte zwischendurch schwächelt, ist sie unterhaltsam und somit die ideale Sommerlektüre.
Fazit
Es handelt sich um eine leichte und erfrischende Lektüre. Mit viel Humor und dennoch mit einer gewissen Tiefe lässt Sara Goodman Confino die 1960er Jahre mit all ihren Regeln und Normen auferstehen und erzählt die Geschichte einer rebellischen jungen Frau, die langsam erwachsen wird. Das Herzstück des Romans bilden jedoch die herrlichen Dialoge zwischen Ada und Marilyn. Ein kurzweiliger und amüsanter Lesestoff.

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