Blick hinter die Fassade.
Zwei wohlhabende Familien wollen einen exklusiven Urlaub in der Toskana verleben. Mit dabei ist Aayana, ein 14-jähriges Flüchtlingsmädchen aus Somalia. Doch schon am ersten Tag, zwischen Wein, Oliven und dem Abendessen, kommt es zur ultimativen Katastrophe. Danach offenbart sich das wahre Gesicht der Binders und Strobl-Marineks und das der gesamten Gesellschaft.
Familientragödie mit geballter Gesellschaftskritik
„Die spürst du nicht“ ist bereits 2023 erschienen, ist aber nun auch als Taschenbuch erhältlich. Geschickt verbindet der österreichische Autor Daniel Glattauer in dem Buch eine packende Handlung mit der Demontage einer gesellschaftlichen Fassade, die es so nicht nur in seinem Heimatland gibt. Was wie ein nettes Theaterstück beginnt, entpuppt sich als Drama. Dabei nimmt Glattauer sich alle Ebenen vor: Freundschaften, Familie, Politik und die Gesellschaft im allgemeinen. Auch die sozialen Medien bekommen ihr Fett weg, wie auch die Presse. Der Fokus liegt auf der Asylpolitik, die Menschen oft wie Dinge behandelt. Aus zwei Perspektiven wird die Flüchtlingsproblematik behandelt, wobei die Sicht aus Aayanas Familie erst später dazu kommt. Indem Glattauer die beiden österreichischen Familien nach der Katastrophe begleitet, hält er uns allen den Spiegel vor. Nachdem sie kurzes Entsetzen und Bedauern geäußert haben, gehen alle wieder zum Alltag über. Als dann jedoch eine Forderung auftaucht, mit der keiner gerechnet hat, ist die Moral komplett vergessen, ein Menschenleben auf einmal verhandelbar und ein Flüchtling scheinbar nicht mehr viel wert.
Wir alle sind beteiligt
Gleich nach dem tragischen Vorfall geht in den sozialen Medien die Diskussion los. Es gibt die Nutzer, die Bedauern äußern. Es gibt aber vor allem die, die gegen die Flüchtlinge hetzen, falsche Behauptungen aufstellen und die Asylpolitik am liebsten ganz anders gestalten würden. Auch die Presse gibt nur eine sehr kurze Mitteilung heraus, im Glauben, das alles gleich wieder Schnee von gestern sein wird. Doch dann ist, mit Frau Strobl-Malinek, eine Politikerin involviert und der Verlust einer Flüchtlingsfamilie wird interessant. Es beginnt weitere Kreise zu ziehen. Die Presseberichte werden länger, die Stimmen in den Sozialen Medien lauter. Alle scheinen etwas zu sagen zu haben. Zum Schluss auch Aayanas Familie. Sie hat Fürchterliches erlebt, leidet noch heute unter der Flucht und muss nun auch noch mit einem neuen entsetzlichen Verlust klarkommen. Diese andere Sicht zeigt das unmenschliche Gesicht der Asylpolitik und lässt schlagartig innehalten. Die ganze Tragik offenbart sich – die traumatische Flucht und die Haltung der gut situierten Europäer gegenüber den Asylsuchenden.
Fazit
Ein Buch, das eine packende Familientragödie ist und zeitgleich für Entsetzen sorgt. Daniel Glattauer spart nicht mit Gesellschaftskritik, lässt die Fassade einstürzen und hält uns allen den Spiegel vor. Glattauer bohrt ein dickes Brett, doch das so gut, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann.

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