Stadt der Hunde

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Carola Krauße-Reim
901001

Belletristik-Couch Rezension vonMär 2025

Ein echter de Winter!

Der Niederländer Leon de Winter wurde 1954 in bescheidene Verhältnisse geboren. Seine Eltern waren orthodoxe Juden, die die NS-Diktatur versteckt überlebt haben. De Winter arbeitet als Filmschaffender und Autor, wobei sein bisher letzter Roman 2016 erschien. In den letzten Jahren machte de Winter mehr in politisch orientierten Debatten von sich reden, als durch neue Werke. Doch nun ist „Stadt der Hunde“ erschienen und es ist wieder einmal ein echter Leon de Winter!

Jaap will nicht aufgeben

Der hoch angesehene Gehirnchirurg Jaap vermisst seine Tochter Lea seit 10 Jahren.  So lange schon ist sie in einem Krater in der Negev-Wüste in Israel verschwunden. Jedes Jahr reist der inzwischen geschiedene Jaap ein paar Tage an den Krater um ihrer zu gedenken, aber ihren sehr wahrscheinlichen Tod will der sonst so rationale Jaap nicht einsehen. Jetzt ist er Rentner und kann einige Zeit mehr in Israel verbringen. Da erhält er ein lukratives Angebot. Und obwohl der Erfolg des Vorhabens so gut wie aussichtslos ist, stimmt er zu, denn er will das Geld für eine ausgedehnte Suche nach Lea verwenden. Und dann rutscht Jaap auf einem Hundehaufen aus und sein Leben ändern sich schlagartig.

Politisch, persönlich, humorvoll

Die Protagonisten in de Winters Romanen sind immer Niederländer jüdischer Abstammung - so auch Jaap. Doch Jaap hat mit Religion eigentlich nichts zu tun. Sein anstrengender Beruf ist sein Leben. Anders Lea, die zum Judentum konvertieren will. Doch nun ist Lea schon seit 10 Jahren fort und Jaap nähert sich langsam der Religion an. Leon de Winter beschreibt die Suche nach Lea und den Schmerz durch ihr Verschwinden in seiner ganz eigenen Art. Er sagt nicht alles, nimmt der Leserschaft das Mitdenken nicht ab und schafft es dennoch so viel auszudrücken. Die drei Phasen des Buches – Besuch des Gedenksteins, Operation mit fast aussichtslosem Ausgang und der Unfall mit den nachfolgenden Problemen – umfassen die familiäre Tragödie genauso, wie politische Probleme. Dabei macht de Winter auch vor mystischen Episoden nicht halt, indem er einen herumstreunenden Hund Jaap in die Unterwelt führen lässt. Was sich trocken und wenig abwegig anhört, ist ein überaus spannendes und manchmal sogar recht humorvolles Buch, das fesselt.

Große Themen gut verpackt

Jaap ändert sein Leben nach der Begegnung mit dem Hund radikal. Was vorher wichtig war, tritt in den Hintergrund und sogar die Frage, was mit Lea geschah, sieht er mit anderen Augen. Im Mittelpunkt steht aber immer der Umgang mit Verlust, Trauer und Hoffnung. Schon das sind große Themen, doch de Winter packt noch die Situation in Saudi-Arabien oben drauf, wie auch das Leben in Israel, das sich zwischen Orthodoxen mit Schläfenlocken und Schofar und leicht bekleideten Frauen am Strand von Tel Aviv abzuspielen scheint. Am Ende des Buches wird überdeutlich, dass alles sich auf ein Datum hin zuspitzt – der 7. Oktober 2023.

Fazit

Für Fans des niederländischen Schriftstellers ein Muss! Und wer den Autor noch nicht kennt, sollte das mit „Stadt der Hunde“ schnell ändern. Leon de Winter schafft es nach fast 10 Jahren wieder auf seine ganz eigene Art zu fesseln und erstklassig zu unterhalten.

Stadt der Hunde

Leon de Winter, Diogenes

Stadt der Hunde

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