Halt

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  • Erschienen: Dezember 2024
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Carola Krauße-Reim
901001

Belletristik-Couch Rezension vonFeb 2025

Eine schwierige Lektüre.

Carl Frode Tiller wurde 1970 in Mittelnorwegen geboren. Er ist ein wahres Multitalent: Musiker, Literaturwissenschaftler, Historiker und Autor. Sein Debütroman „Skråninga“ (2001) wurde von den Kritikern gefeiert und auch seine nachfolgenden Werke fanden einhellig großen Anklang. Tiller schreibt auf Nynorsk, neben Båkmal die zweite Standartvarietät des Norwegischen. Nynorsk wurde Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt und wird heute nur von 10 – 15% der Bevölkerung genutzt. Und Tiller scheut sich nicht, schwierige Themen anzuschneiden, wie jetzt auch in „Halt“.

Heiligabend

Elisabet und Sakarias müssen mit dem Unfalltod ihres 12-jährigen Sohnes Johannes zurechtkommen. Am Morgen des Heiligabends haben sie sein Grab besucht und wollten dann getrennte Wege gehen, denn sie sind kein Paar mehr. Doch sie verbringen den Abend noch zusammen. Erinnerungen, Trauer und Verlust erfüllen sie. Sie geben einander Halt und spüren dadurch, dass Johannes ganz nah bei ihnen ist.

Ein schwieriger Stil erwartet Aufmerksamkeit

„Halt“ ist alles andere als eine Geschichte zur Entspannung. Schon das Thema kann einem ganz schön zusetzen, der Stil tut dann sein Übriges, er verlangt höchste Konzentration. Tiller lässt seine drei Protagonisten in der Ich-Perspektive erzählen, wobei er zwischen Johannes, Elisabet und Sakarias hin und her springt. Nicht selten ändert sich die erzählende Figur innerhalb eines Satzes. Das zeigt zwar die enge Bindung von Eltern und Sohn, macht es aber der Leserschaft nicht einfach, der Handlung zu folgen. Die ist eindringlich und fordernd zugleich. Mehrschichtig werden Probleme offenbart, die nicht nur Elisabet und Sakarias betreffen, sondern auch dessen Verhältnis zu seiner Mutter. Auch Johannes ist nicht wie andere Kinder, doch seine Schwierigkeiten zeigen sich erst im Laufe der Lektüre, auch wie seine Eltern damit umgehen.

Tod und Verlust

Tiller hat die Verarbeitung von Tod und Verlust als primäres Thema genommen. Jeder geht anders damit um, auch Sakarias und Elisabet. Während er viel zu viel arbeitet, trinkt sie zu viel. Sie können nicht mehr miteinander aber auch nicht ganz ohne. Die Familiendynamik und der Ablauf der tödlichen Tragödie werden langsam und Stück für Stück offengelegt. Dazwischen kommen immer wieder aktuelle Phasen vom Heiligabend. Johannes ist bei ihnen, „ich glitt hinter ihr her, glitt durch ihren Rücken in sie hinein ...“, und doch so weit weg. Tiller schafft es, die Suche nach Halt in dieser Extremsituation eindringlich und dennoch subtil zu schildern. Die Zeiten verschwimmen, die Protagonisten verschmelzen und zum Schluss bleibt Frieden und ein Gefühl der ewigen Verbundenheit.

Fazit

Carl Frode Tiller fasst starke Gefühle in Worte und schafft damit beeindruckende Literatur. „Halt“ ist fordernd und ausdrucksstark, damit keine einfache Unterhaltungsliteratur, sondern nur etwas für eine Leserschaft, die bereit ist, sich mit dem Text und mit dem schwierigen Thema auseinanderzusetzten.

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