Das Land der Jungen

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André C. Schmechta
961001

Belletristik-Couch Rezension vonApr 2024

Unbedingt lesenswert - nicht nur für Männer.

Zwei Brüder in zerrütteten Familienverhältnissen. Ein jugendliches Paar und eine ungewollte Schwangerschaft. Freunde zwischen den Fronten schwerer Ausschreitungen. Ein Tischler mit einem besonderen Auftrag. Vier von insgesamt neun Kurzgeschichten, in denen der ungarische Autor Dénes Krusovszky von Jungen und Männern erzählt und so bewegende und eindringliche Momentaufnahmen schafft.

Geschichten des Übergangs

Bereits 2014 ist das Werk im ungarischen Original erschien. So können wir uns glücklich schätzen, dass „Das Land der Jungen“ nun 10 Jahre später seinen Weg in „Die Andere Bibliothek“ im Aufbau-Verlag findet. Das gebundene Buch im schönen Schuber mit künstlerischem Titelmotiv lässt dabei noch nicht erahnen, welche kraftvoller und berührender Inhalt in den 260 Seiten steckt.

Bereits mit den ersten Worten werden wir sanft umschlungen und in die besonderen Umfelder der Protagonisten hineingezogen. Und wir sollen auch dann nicht mehr losgelassen werden, wenn der letzte Satz gelesen ist. Anfangs verschlossen wirken die Figuren, dabei in ihrer fragil scheinenden Konstitution doch bewusst und klar, stecken voller verborgener Sehnsüchte, sind suchend nach Halt und Orientierung. Langsam tauchen wir ab in die gegensätzlichen Gefühls- und Gedankenwelten, werden vertraut mit den Beziehungsgeflechten, Familienkonstellationen und Freundschaften, bewegen uns in traditionellen Rollen und unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus, die schon bald aufgebrochen werden.

Die einzelnen Geschichten stellen dabei Übergänge dar. Ihre vielschichtigen Charaktere durchlaufen emotionale Veränderung, werden konfrontiert mit dramatischen Momenten, schmerzhaften Erfahrungen oder treffen schicksalhafte Entscheidungen. Meist ohne Andeutung reißt uns Dénes Krusovszky dann aus seinen Geschichten heraus, lässt uns nach einer unerwarteten Wendung oder einem überraschenden Ereignis unweigerlich in Gedanken selbst zusätzliche Seiten füllen, bevor wir uns der nächsten Geschichte zuwenden können.

Eigentlich erst im Nachhinein erkennt man, dass Dénes Krusovszky hier bewusst mehrere Lebensalter chronologisch umspannt. Angefangen vom kleinen Jungen in der ersten Geschichte bis zum älteren Erwachsenen in seiner letzten, begleiten wir die männlichen Seelen in ihrem ganz eigenen Mikrokosmos. Für mich stechen dabei die ersten drei Geschichten besonders hervor. Denn Krusovszkys Gespür für seine noch jungen Figuren ist beeindruckend. Selbst auf wenigen Seiten füllt er die Lebensräume seiner Figuren mit Leben, setzt stets präzise emotionale Ankerpunkte.

Fazit

„Das Land der Jungen“ ist ein besonderes literarisches Werk auch Dank der wunderbar feinfühligen Übersetzung von Terézia Moras. Das kleine Buch weckt große Gefühle und hinterlässt Spuren. Jede einzelne Geschichte klingt nach. Dénes Krusovszky lässt uns innehalten und regt Gedankenspiele über die eigene Erinnerung an. Ein Buch unbedingt lesenswert - nicht nur für Männer.

Das Land der Jungen

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