Nie begegnet, aber für dasselbe Ziel gekämpft. Der unermüdliche Einsatz für die Rechte der Kinder.
Mathilde und Emma wachsen gemeinsam im Armenhaus in Berlin-Steglitz auf. Schon früh zeigt sich ihre fürsorgerische Ader. Mathilde folgt jedoch ihrer vermeintlich grossen Liebe, wird Hausfrau und Mutter und kämpft tagtäglich ums Überleben. Emma heiratet später und teilt Mathildes Los als Frau, mit einer Ausnahme: Emmas hat nicht so grosse finanzielle Sorgen und sie kann auf die Liebe ihres Ehemannes zählen.
Armut und Kinderarbeit
Mathildes Ehemann vernachlässigt seine Familie und versinkt immer mehr in seiner Alkoholsucht. Obwohl Mathilde es nicht möchte, muss ihr Ältester, der eigentlich noch ein Kind ist, mithelfen und ein paar Groschen verdienen. Die ältere der beiden Mädchen, Ida, kann ihre Mutter bereits bei Näharbeiten unterstützen, während Marianne noch zu klein ist.
Viele Familien haben keine andere Wahl, als ihre Kinder zur Arbeit zu schicken. Es gibt jedoch bereits Mitbürger, die sich für den Schutz der Kinder einsetzen. Und Arbeitgeber, die sich verpflichten, keine Kinder einzustellen. Trotzdem haben die von Armut betroffenen Menschen oft keine Alternativen.
„Warum die einen schufteten und arm blieben und die anderen allein vom Zusehen reich wurden. Warum manche Arbeit so viel Wert besaß, andere mitnichten. Und warum man Ungerechtigkeit einfach hinnahm, als wäre sie so selbstverständlich wie die Tatsache, dass ein Stein, liess man ihn fallen, zu Boden plumpste, anstatt zu fliegen.“
Emma, Mathildes Freundin, setzt sich zunächst für ihre Freundin aus Kindertagen ein. Sie kämpft dafür, dass Mathilde sich wehrt und ihre Kinder zur Schule statt zur Arbeit schickt. Der Kinderschutz wird zu Emmas Lebensziel. Die Lebenswege der Jugendfreundinnen trennen sich aufgrund ihrer unterschiedlicher Sichtweisen und Lebenssituationen. Als sie sich nach Jahren wiedersehen, stellen sie fest, dass sie sich in all der Zeit für dasselbe Ziel eingesetzt haben.
Der ständige Kampf für die Rechte der Kinder
Die Geschichte der Albrecht-Frauen, Mathilde, Ida und Marianne, wird von Julia Kröhn mit den Lebensläufen von Emma Döltz, Clara Grunwald und Eglantyne Jebb verwoben. Die Autorin erzählt in drei Teilen von den Albrecht-Frauen und lässt sie auf die drei berühmten Vorkämpferinnen treffen. Mutter und zwei Töchter, die sich einem gemeinsamen Ziel widmen: den Rechten der Kinder. Jede in ihrem eigenen Umfeld und unter ihren eigenen Lebensumständen. Der Zeitrahmen erstreckt sich von 1874-1925. Dabei erfährt man viel über die damaligen Lebensverhältnisse, politische Ereignisse und den Kampf von mutigen Frauen für die Rechte der Kinder.
Julia Kröhn erzählt in einem Interview, dass sich Emma Döltz, Clara Grunwald und Eglantyne Jebb im wirklichen Leben wahrscheinlich nie begegnet sind. Dennoch hatten sie dieselben Ziele und deshalb treffen sie sich in dem Roman „Papierkinder“.
„Der Einsatz der historischen Figuren in diesem Buch – Emma Döltz, Clara Grunwald und Eglantyne Jebb – ist insofern durchaus als Teil einer Bewegung zu sehen, doch diese ist erst in der Retrospektive als solche auszumachen.“
Das Leben der Albrecht-Frauen spiegelt die damaligen Verhältnisse. Sie repräsentieren auch drei soziale Gesellschaftsschichten. Die Idee, drei Frauen aus unterschiedlichen Gesellschaftsklassen zu wählen, die sich wie drei Persönlichkeiten für dasselbe Ziel engagieren, verleiht dem Roman Lebendigkeit. Allerdings gelingt es Julia Kröhn nicht durchwegs, die Geschmeidigkeit im Text und die Lebhaftigkeit zu halten. Oft wird spürbar, wie das Zusammenführen der drei Handlungsstränge so einiges an Geschick erfordert. Dessen ungeachtet: Die Geschichte ist ergreifend und vermittelt sehr viel Interessantes.
Fazit
Eine berührende und erschütternde Geschichte über das Leben vor dem Ersten Weltkrieg, dem Krieg, der Weimarer Republik und dem ständigen Kampf für die Rechte der Kinder. Gleichzeitig holt Julia Kröhn damit drei engagierte Frauen aus der Vergessenheit und erweist ihnen eine späte Würdigung.
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