Ein Buch wie Wachs in den Händen
Es soll über 30 Jahre dauern, bis aus Marie Grosholtz Marie Tussaud werden wird – doch dann kennt sie bald die ganze Welt. Dabei hat sie klein angefangen: In der Werkstatt ihres Onkels lernte sie die Handwerkskunst der Wachsmodellierung. Dabei ist sie sich stets treu geblieben, selbst über Liebschaften, Kriege und persönliche Verluste hinweg. Heute fasziniert vor allem ihr Erbe: Wachsmuseen in Städten überall auf der Welt. Dahinter steht eine Frau, die eine Vorreiterin ihrer Zeit war ...
„Die Wachsfigur war so wunderschön! Für mich war sie die schönste Puppe auf der ganzen Welt.“
Marie war ein kleines Mädchen als sie mit ihrer Mutter Preußen verließ, um bei ihrem Onkel Philippe in Paris zu leben. Plötzlich fand sie sich in einer anderen Welt wieder: Denn ihr Onkel fertigte Wachsmodelle an. Marie war von Anfang an fasziniert, lernte das Handwerk schnell und mit Begeisterung – sehr zum Unmut ihrer Mutter. Doch Marie ließ sich nicht abhalten und modellierte bald selbst, von Voltaire bis zu vielen weiteren namhaften Personen.
Am meisten liebt Marie ihre Unabhängigkeit, weshalb sie lange Zeit nichts von der Liebe wissen will. Doch dann tritt der Maler Jacques auf die Bildfläche – und es ist um Marie geschehen. Auch Jacques ist hin und weg von der schönen, unabhängigen Frau. Doch ist er verheiratet – und so bleiben ihnen nur heimliche Affären.
Als schließlich die Französische Revolution in Gang kommt, ist Marie in höchster Gefahr. Denn mittlerweile hat es sie an den französischen Königshof getrieben, wo sie der Schwester des Königs Unterricht im Wachsmodellieren gibt. Die einfachen Bürger sind währenddessen im Aufstand: Sie haben die Nase voll von der Opulenz und den hohen Steuern, die das Königshaus verhängt. Sie wollen Köpfe rollen sehen, und so fällt das Beil der Guillotine im Minutentakt. Marie muss sich völlig neu erfinden, um aus diesem Hexenkessel zu entkommen ...
Eine mysteriöse Frau wird lebendig
Madame Tussaud (wie sie heute jeder kennt) war eine begabte und kluge Frau, die sich mit den gesellschaftlichen Konventionen nicht zufriedengab – so viel kann man wohl in ihre Persönlichkeit hineininterpretieren. Denn es braucht schon eine gewisse Stärke, um einer männerdominierten Gesellschaft Stand zu halten und den Wirren der Französischen Revolution zu entkommen. Dennoch macht Autorin Anna-Luise Melle im Nachwort klar, dass nicht viel über Marie Tussaud bekannt ist. Es gibt viele Gerüchte und Mutmaßungen: über ihre Herkunft, ihre Rolle am Hofe und während der Revolution. Daher hat die Autorin sich einige Freiheiten in der Gestaltung der Geschichte gelassen.
Erzählerisch zeigt Melle ihr ganzes Können: Man ist schnell drin in der Geschichte und im 18. Jahrhundert. In klarer, nüchterner Sprache lässt sie Marie Grosholtz, spätere Tussaud, lebendig werden. Die geschichtlichen Hintergründe bieten einen spannenden Rahmen, den die Autorin für sich zu nutzen weiß. Einzig ein paar Nebenhandlungen wirken manchmal überflüssig und bieten nur wenig Mehrwert. Und auch das Ende kommt sehr plötzlich und wirkt etwas erzwungen.
Dennoch schafft Melle etwas sehr Wichtiges: Sie macht neugierig auf diese faszinierende Frau. Daher kommt das Nachwort genau richtig, da man sowieso schon im Tussaud-Fieber ist, und so noch ein paar Hintergründe erfährt.
Fazit
Die Meisterin der Wachsfiguren liest sich flüssig und lebendig. Die knapp über 300 Seiten sind (fast schon zu) schnell ausgelesen. Ein gelungenes Buch für alle, die mehr über Marie Tussaud wissen und eine spannende Geschichte lesen wollen!
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