So weit der Fluss uns trägt

So weit der Fluss uns trägt
So weit der Fluss uns trägt
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Monika Wenger
891001

Belletristik-Couch Rezension vonAug 2023

Ein bewegender Roman über Verlust, Neuanfang und dem unbändigen Willen, irgendwie weiterzuleben

Dieser eine Tag, den Victoria Nash zum Gang in das Städtchen Iola nutzt, verändert ihr Leben auf ungeahnte Weise. Eigentlich will sie nur ihren betrunkenen Bruder Seth nach Hause holen und trifft dabei den jungen Wilson Moon. Die Anziehungskraft zwischen den beiden jungen Menschen ist enorm. Doch die gesellschaftlichen Konventionen und Verhaltensweisen in den 1930er-Jahren verfügen über ein eigenes Regelwerk. Dazu gehört auch eine klare Rollenverteilung.

Verlust und Einsamkeit

Victoria war zwölf Jahre alt, als sie an einem Tag ihre Mutter, ihre Tante und weitere Familienmitglieder verliert. Seither wächst sie in einem reinen Männerhaushalt auf. In den 1940er-Jahre in einem Tal in Colorado stellt niemand in Frage, dass eine Frau ins Haus und an den Herd gehört. So übernimmt die Zwölfjährige die Arbeiten, auf die sie ihre Mutter bereits etwas vorbereiten konnte. Die Männer im Haus akzeptieren das ohne grosses Tamtam. Sie trauern auf ihre eigene Weise, ohne dem Mädchen mehr Beachtung als nötig zu schenken. Wil verändert Victorias Leben von einem Tag auf den anderen. Da ist sie siebzehn. Mit ihm erlebt sie heimliches Glück und schlussendlich tiefstes Leid.

Kraft in der Natur

Zurückhaltend und dennoch ausdrucksstark formuliert, erzählt Shelley Read von den vielen Erschütterungen im Leben des Mädchens Victoria. Dabei setzt sie auf die Natur als Kulisse. Die Autorin erzählt von der Pfirsichplantage, auf der Victoria aufwächst und schon als Kind mithilft. Sie beschreibt die täglichen Arbeiten der Zwölfjährigen im Haus. Anschaulich, unaufgeregt, beinahe sachlich berichtet sie, wie die Männer Tag für Tag ihrer Arbeit nachgehen. Wie ihr Leben nach der Tragödie weitergeht und sie dem Mädchen kaum Beachtung schenken. Das bleibt so, bis eben Wil auftaucht. Er verändert alles.

Nach einem furchtbaren Unglück setzt sich Victoria in die Berge ab, kämpft ihren eigenen Kampf. All dies beschreibt Shelley Read anschaulich, schlicht und einfach. Mit erstaunlicher Wirkung. Fast schon sachlich erfahren wir, wie Victoria über mehrere Jahrzehnte ihr Leben meistert, sich aufrappelt und weitermacht. Wie sie sich in der Natur Kraft und Zuversicht holt und dabei innerlich erstarkt. Immer wieder erstaunt es, wie sie mit ihren Schicksalsschlägen umgeht, sie aushält. Für Victorias innere Einstellung zeichnet die Autorin das Bild des fließenden Flusses. Dieser Gunnison River, an dem das Mädchen aufwächst, wird zur Metapher.

Der Einstieg in Victorias Geschichte braucht ein wenig Geduld. Aber je mehr Seiten gelesen sind, desto tiefer taucht man in die Erzählung ein. Beeindruckend ist der Überlebenswillen der jungen Frau. Wie schön, die Entwicklung mitverfolgen zu können; zu sehen, wie das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten mit den Jahren wächst und sie trägt.

Fazit

Eine ergreifende und emotionale Lektüre, die vom Schicksal einer jungen Frau und ihrem Leben in einem Tal in Colorado erzählt. Dabei spielen Ängste, Verlust und Wiederfindung eine grosse Rolle. Victorias Geschichte braucht Zeit, bis sich ihr ganzes Ausmaß entfaltet, hallt aber noch lange nach.

So weit der Fluss uns trägt

Shelley Read, C. Bertelsmann

So weit der Fluss uns trägt

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