Eine Frage der Chemie

  • Piper
  • Erschienen: März 2022
  • 3
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Birgit von Domarus
961001

Belletristik-Couch Rezension vonJul 2023

Es wird geforscht, geliebt und gelitten.

Die Chemie wird im Debütroman von Bonnie Garmus in ein überraschend frisches Erlebnis dieser naturwissenschaftlichen Fachrichtung verwandelt. In der sehr schönen Covergestaltung wird der Leser auf eine ansehnliche Frau vorbereitet und sie mit Naturwissenschaft in Verbindung zu bringen, ist für den Handlungszeitraum Anfang der 60-er Jahre in den USA (und nicht nur dort) nicht selbstverständlich. Der Zugang zu Bildung und Universitätsabschlüssen war zwar grundsätzlich möglich, aber ein Weiterkommen den Frauen oftmals verwehrt. Die patriarchalischen Strukturen ließen es nicht zu, dass weibliche Wissenschaftlerinnen im Vordergrund standen, davon, aber auch von Me too, das damals noch nicht so hieß, handelt dieser Roman. Das Schicksal der Biochemikerin Rosalind Elsie Franklin, die weitgehend unbeachtet von der Welt die wesentlichen Grundlagen schuf, die zur Entdeckung der DNA-Struktur führten, drängt sich beim Lesen förmlich auf. Zwei Männer haben den Nobelpreis dafür bekommen, sie ging leer aus und wurde im Labor gedemütigt und klein gehalten.

 Zwei Seelenverwandte

Bonnie Garmus öffnet den Vorhang zu dem Geschehen durch eine Rahmenhandlung, wobei der Rahmen sehr kurzgehalten ist. In einem Rückblick wird die Geschichte zweier Liebender erzählt, die sich in einem chemischen Forschungsinstitut kennen gelernt haben. Beide sind Außenseiter und nicht besonders gesellschaftsfähig. Durch ihre außergewöhnliche Intelligenz sind sie sehr erfolgreich, vor allem Calvin Evans, der ein eigenes Labor zur Verfügung hat. Dort fand auch ihre erste Begegnung statt, als Elisabeth Zott Bechergläser entwendete. Anfangs führen beide ausschließlich fachliche Diskussionen, die dann aber zu einer Liebe wird, die sie nicht mehr loslässt. Sie haben keine Familie, sie haben nur noch sich selbst und ihren Hund, der in diesem Buch eine komödiantische und tragische Rolle spielen sollte. Sie arbeiten gemeinsam, rudern, lieben, sie sind glücklich. Bis zu dem Tag, an dem Calvin Evans tödlich verunglückt.

Essen um sechs

Der Verlust ihres Geliebten ist für Elisabeth Zott eine Zäsur. Ohne den Schutz des bekannten Forschers Calvin Evans wird sie schwanger entlassen. Sie ist allein, ohne finanzielle Mittel und unverheiratet. Aber sie wäre nicht Elisabeth Zott, wenn sie aufgeben würde. Durch einen Zufall findet sie Zugang zu einem Sender, der verzweifelt einen Programmteil sucht, der unterhaltsam genug ist, die Einschaltquoten nach oben zu bringen. Sie verbindet ihre Leidenschaft für die Chemie mit Kochkursen in dieser Sendung. Die Zutaten miteinander zu verbinden, dabei die chemischen Hintergründe zu erklären, gleichzeitig gesunde Ernährung dem Publikum nahe zu bringen, wird ihre Passion. Sie hat unglaublichen Erfolg, aber auch Widersacher, die mit ihren modernen feministischen Auffassungen nicht konformgehen. Elisabeth Zott war eben nicht durchschnittlich, sie polarisierte. Die Reaktionen der Gesellschaft auf die Sendung waren ein Spiegelbild der Verhältnisse, in Bezug auf die Stellung der Frau. Sie verliert ihre eigentliche Bestimmung, als Wissenschaftlerin zu arbeiten, nicht aus den Augen. Durch viele Verwirrungen, die weit in die Vergangenheit vor allem des Calvin Evans zurückreichen, wird ihr das auch gelingen, wenn der Schluss auch ein wenig märchenhaft erzählt wird.

Bonnie Garmus, eine US-amerikanische Schriftstellerin ist 1957 in Kalifornien geboren, hat englische Literatur an der University of California studiert. Sie hat zu fachlichen Themen in Medizin, Technologie und Erziehung geschrieben. Ansätze zum Schreiben eines Romans fand sie schon früher, aber es ist nie zu einer Veröffentlichung gekommen. Die zurzeit in London lebende Autorin hat hiermit ihren Debütroman vorgelegt. Was für ein Glück für uns als Leser!

Fazit

Es wird geforscht, geliebt und gelitten. Es ist aber auch ein Loblied auf die Emanzipation der Frauen, auf Freundschaft, Fairness und tierischer Hingabe.

Eine Frage der Chemie

Bonnie Garmus, Piper

Eine Frage der Chemie

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