Echos der Vergangenheit

Echos der Vergangenheit
Echos der Vergangenheit
Wertung wird geladen
Carola Krauße-Reim
901001

Belletristik-Couch Rezension vonJun 2023

Eine wahrhaft lebendige Geschichte

Hugo Hamilton ist einer der bekanntesten zeitgenössischen irischen Schriftsteller. 1953 als Sohn einer deutschen Mutter und eines irischen Vaters in Dublin geboren, wuchs er in einem Elternhaus auf, in dem nur Irisch und Deutsch als Sprachen erlaubt waren. Das Verbot des Englischen isolierte ihn und macht ihn gleichzeitig sensibel für die immense Bedeutung von Sprache für das soziale Miteinander. Er wurde Journalist und Schriftsteller,  dessen Werke große Beachtung fanden. Zuletzt erschien sein Roman „Palmen in Dublin“ auf Deutsch, dem man durchaus autobiografische Züge nachsagen könnte. Hamilton ist Mitglied der irischen Künstlervereinigung Aosdána und seit 2014 Träger des Bundesverdienstkreuzes, das er für seinen Beitrag zur Literatur und zur Verständigung zwischen Deutschland und Irland erhielt.

Ein Buch und seine Geschichte

Die Lena besitzt eine Erstausgabe von Joseph Roths Roman „Die Rebellion“. Das Buch erbte sie von ihrem Vater, der es nach der Wende aus Deutschland mit in die USA nahm. Auf der letzten Seite befindet sich eine handgemalte Kartenskizze, die ebenso rätselhaft ist, wie einige handgeschriebene geographische Angaben im Buch. Lena will diesem Geheimnis auf den Grund gehen und fliegt nach Berlin, wo alles begann. Bald steckt sie mitten in der eigenen Familiengeschichte, die eng verknüpft ist mit der Deutschlands – der jüngeren und der aktuellen.

Spannend bis zum Schluss

„Die Rebellion“ und Lena erleben so einiges auf ihrer Reise. Das Buch wird gestohlen und landet bei Armin, einem begeisterten Leser, der familiär so einige Probleme hat. Mit einer Portion Glück kommt es zu Lena zurück – und Armin gleich mit. Die Suche nach dem Geheimnis der Kartenskizze entpuppt sich als ein Ausflug in die Vergangenheit, der sehr dramatisch endet – für alle Beteiligten, auch für „Die Rebellion“.

Ein Buch als Proganonist

Hamilton hat zu einem sehr ungewöhnlichen Stilmittel gegriffen, indem er „Die Rebellion“ die Geschichte erzählen lässt. Das Buch wird als eigenständige Existenz vermittelt, die menschliche Züge annimmt, indem sie Gedanken und Gefühle entwickelt, Ängste und Hoffnungen haben kann. Doch nicht nur deshalb ist Hamiltons neustes Buch ein Loblied auf die Welt der Literatur. Er erweckt ganze Bibliotheken zum Leben und lässt deren Bücher nachts miteinander flüstern und diskutieren. „Die Rebellion“ erzählt von ihrem eigenen Plot, der die Grausamkeit und die Folgen des 1. Weltkrieges thematisiert, von der Lebensgeschichte ihres Verfassers Joseph Roth und sie beschreibt ihre eigene Geschichte als Buch eines jüdischen Autors und eines jüdischen Besitzers. Nach der Rettung vor den Nazis wird sie über Generationen in einer Familie weitergereicht, bis sie bei Lena landet. Ihre Rückblicke sind immer eingebettet in die aktuellen Vorkommnisse rund um Lena, die wiederum brisante aktuelle Themen ansprechen. Damit ist „Echos der Vergangenheit“ wirklich wörtlich zu nehmen, denn die Fabulierungen der „Rebellion“ über die  Buchverbrennung auf dem Bebelplatz, die Verfolgungen im 3. Reich und ihr Weiterleben nach dem 2. Weltkrieg zeigen zwar die Vergangenheit, hallen aber wie Echos nach, die zu Verwerfungen in der Gegenwart führen.

Viele Themen in einem Buch

„Echos Vergangenheit“ ist mit nicht einmal 300 Seiten kein sehr umfangreiches Buch und dennoch schafft es Hugo Hamilton eine Vielzahl an Themen hineinzuschreiben. 100 Jahre Weltgeschichte; die Auswirkungen von Krieg und Gewalt; persönliche Besessenheiten; zwei tragische Liebesgeschichten und Gesellschaftskritik in vielfacher Form werden verarbeitet. Dennoch ist der Roman damit nicht überfrachtet, was an dem angenehmen Stil und der großen Erzählkunst Hamiltons liegt. Mit „Die Rebellion“ und ihrer Geschichte kitzelt er zudem noch eine Neugier auf deren Verfasser Joseph Roth hervor, der ein so tragische Leben führte. Und natürlich vermittelt Hamilton seine ganze Liebe zur Literatur. Diese wird, laut ihm,  immer überleben, egal was man ihr antut.

Fazit

Pünktlich zum 90. Jahrestag der Bücherverbrennung am 10.5.1933 auf dem Bebelplatz in Berlin erschien „Echos der Vergangenheit“. Hugo Hamiltons, bis zum tragischen Schluss packende Geschichte beinhaltet viele Themen und wird vor allem von einem ungewöhnlichen Protagonisten erzählt - „Der Rebellion“, einem Roman von Joseph Roth.

Echos der Vergangenheit

Hugo Hamilton, Luchterhand

Echos der Vergangenheit

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Echos der Vergangenheit«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Film & Kino:
The Crown - Staffel 3

Die Queen in ihrer vordergründig repräsentativen Rolle ist eine zeitgeschichtliche Ikone, sodass der Erfolg der seit 2016 bei Netflix laufenden Serie „The Crown“ nicht verwundert. Die dritte Staffel markiert allerdings einen Umbruch: Die Royal Family ist in den 60er-Jahren angekommen und viele Rollen werden neu besetzt, da auch die Blaublüter nicht vor dem Altern gefeit sind. Titel-Motiv: © Des Willie / Netflix

zur Film-Kritik