Insel der Vergessenen

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Carola Krauße-Reim
881001

Belletristik-Couch Rezension vonJun 2023

Geschichte der Leprakolonie Spinalonga

Die junge britische Archäologin Alexis macht Urlaub auf Kreta, der Heimatinsel ihrer Mutter Sofia. Schon immer wollte Alexis mehr über ihre griechische Familie erfahren, doch Sofia gab nichts preis. Also ergreift sie jetzt die Gelegenheit und besucht Plaka, den kleinen Ort, in dem ihre Vorfahren lebten. Hier erfährt sie die tragische Geschichte ihrer Familie, die gezeichnet ist von Verlusten, aber auch von Zusammenhalt und Liebe. Dabei spielt eine kleine Felseninsel vor Plaka eine entscheidende Rolle – die ehemalige Leprakolonie Spinalonga.

Eine engagierte Autorin

Für die britische Autorin Victoria Hislop war ihr Debütroman gleich ein großer Erfolg. Der Bestseller wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und erschien 2006 erstmalig auf Deutsch. Zwischenzeitlich wurde er sogar in einer griechischen Produktion verfilmt. Jetzt hat der Oktopus-Verlag den Roman noch einmal aufgelegt. Hislops Bücher haben immer einen historischen Hintergrund und viele spielen in Griechenland. Sie scheint diesem Land wirklich sehr zugetan zu sein, hat sie doch 2020 sogar die griechische Staatsbürgerschaft angenommen. Doch sie ist auch in Sachen Lepra sehr engagiert und sammelt als Botschafterin einer britischen Organisation Spenden für die medizinische und psychologische Betreuung Erkrankter und für die Aufklärung über diese grausame Krankheit.

Spinalonga

Die kleine Felseninsel vor Plaka ist heute verlassen und dient als Touristenattraktion mit Schauerfaktor. Jede Saison laufen Scharen von Besuchern durch die engen Gassen, betrachten die verlassenen Häuser und versuchen sich vorzustellen, wie das Leben dort war - auf Spinalonga, der ehemaligen Leprakolonie Griechenlands. Bereits von Venezianern und Osmanen bewohnt und wieder verlassen, wurden hier zwischen 1904 und 1957 die Leprakranken gesammelt untergebracht. Zuerst herrschten menschenunwürdige Umstände, die sich aber in den 1930er Jahren besserten. Doch die Insel blieb ein Gefängnis für die Erkrankten, die hier isoliert  bis zu ihrem Tod leben mussten. Erst die erfolgreiche Behandlung mit dem neu entwickelten Mittel Dapson ermöglichte eine Heilung und damit auch die Freiheit der Infizierten. Hislop bedient sich der fiktiven Familiengeschichte von Alexis und Sofia um diese Historie aufzuarbeiten.

Die Figurendarstellung ist der Dramaturgie geschuldet

Die Familiengeschichte von Alexis ist traurig, aber auch sehr spannend. Jedoch dient sie nur als Mittel zum Zweck um die Geschichte der Leprakolonie auf Spinalonga zu erzählen. Das bedingt die teilweise sehr plakative Darstellung der Charaktere. Vom geduldig leidenden Vater und Ehemann, über die treusorgende Tochter bis hin zur Aufmüpfigen, die Schande und Leid über die Familie bringt, ist alles vorhanden, was an Klischees nur möglich ist. Sogar eine Archäologin muss dabei sein und Knossos besuchen. Dabei schafft es die Autorin allerdings, nie auf ein allzu seichtes Niveau abzugleiten. Sie benutzt die Figuren und ihr Leben gekonnt um das sich ändernde Leben auf Spinalonga, aber auch die Spätfolgen der Stigmatisierung zu zeigen.

Fortini erzählt

Fast der ganze Roman ist als Rückblick gehalten. Fortini, eine Freundin der Familie erzählt Alexis, was sich zugetragen hat. Diese Perspektive hält die Leserschaft allerdings leider sehr auf Distanz. Obwohl viel Trauer und Tragik im Spiel ist, können die Gedanken und Gefühle der Beteiligten nicht vermittelt werden. Fortini als neutrale Erzählerin kann hier nur mutmaßen und lediglich von dem berichten, was sie sah. Auch wenn man auf lange Strecken die Erkrankten auf der Insel begleitet, besteht dadurch immer eine emotionale Distanz, was durch eine andere Erzählweise sicher nicht so gewesen wäre. So aber bleibt man zum Betrachten verdammt und muss mit nur wenigen inneren Ansichten der Figuren leben. Doch der eingängige, wenig fordernde Schreibstil macht hier einiges wett und man  ist dennoch gefesselt von der tragischen Geschichte. Allerdings sollte man sich auf sehr abrupte Perspektivwechsel innerhalb eine Kapitels einstellen, die ohne Vorwarnung kommen und die Leserschaft von einer Person ohne Übergang an die nächste weiterreichen.

Fazit

Eine tragische Geschichte mit der Insel Spinalonga als Protagonistin. Etwas plakativ geratene Charaktere und ein, der Historie der Leprakolonie geschuldeter Plot, verhindern nicht, dass der Roman spannend und fesselnd ist. Für Geschichtsinteressierte ist er damit genauso interessant, wie für eine Leserschaft, die Familiengeschichten mag.

Insel der Vergessenen

Victoria Hislop, OKTOPUS

Insel der Vergessenen

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