Das verborgene Paradies

Das verborgene Paradies
Das verborgene Paradies
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Sandra Dickhaus
751001

Belletristik-Couch Rezension vonMai 2023

Ein gemeinsames Schicksal, das zwei Menschen untrennbar verbindet

Auch der sechste Roman des Autors präsentiert sich wieder im gewohnten Design und mit einem Titel, der nicht viel verrät. Wer den Autor kennt, weiß, was erwartet werden kann und auch diesmal sollte man auf die eigene Einschätzung vertrauen. Zunächst war die Literatur di Fulvios nur in Italien bekannt, aber 2011 erreichte er mit „Der Junge, der Träume schenkte“ einen internationalen Durchbruch und ist aus unseren Buchhandlungen nicht mehr wegzudenken.

Im Prolog lernt man die Hauptprotagonisten kennen: Daniele und Susanna. Beide sind unter besonderen Umständen zur Welt gekommen und wachsen im Kloster auf. Daniele wird nach dem traurigen Tod seiner Mutter ohne ein Wort der Erklärung seines schweigsamen Vaters zu den Mönchen gebracht, als er fünf Jahre alt ist. Die Hebamme, die ihm auf die Welt half, nennt ihn immer „Der Heilige“ und sagt ihm Großes voraus, denn er wurde mit einer, wie sie es bezeichnet, „Glückshaut“ geboren. Sie glaubt an seine magischen Heilkräfte, was Daniele sehr unangenehm ist. Auch Susanna wird unter ihren strengen Blicken geboren, doch ihre Mutter, eine Dirne, die die Mönche im Dreck auf der Straße fanden und ins Kloster brachten, stirbt bei der Geburt. Als das kleine Mädchen das Licht der Welt erblickt hat, erschrickt die Hebamme und befiehlt dem anwesenden Prior, das Kind sofort in den Fluss zu werfen. Doch dieser bringt es nicht übers Herz und schenkt ihr das Leben. So beginnt die gemeinsame Geschichte der beiden Figuren, die untrennbar miteinander verbunden ist und deren Leben prägt.

Eine Geschichte über zwei Menschen, die durch das Schicksal untrennbar verbunden sind

Typisch für den Autor hält er sich eingangs nicht mit Geplänkel rund um Figuren und Plot auf, sondern beginnt mitten im Geschehen und präsentiert direkt die Eigenheiten der damaligen Zeit und der dort lebenden Menschen. Di Fulvio findet immer klare Worte, redet nicht um den heißen Brei herum und erzählt, wie es ist, egal wie unangenehm, brutal oder erschreckend eine Situation sein mag. Er beschönigt nichts. Auch bezeichnend für die Romane des Autors sind Geschichten, in denen Menschen vorkommen, die ein besonderes Schicksal ereilt hat, die in unterschiedlichen Lebenssituationen stecken, ihr Glück suchen und auch darum kämpfen, mit aller Kraft, die sie haben. Tiefschläge gehören natürlich auch dazu, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Keiner der Figuren fällt etwas von selbst in den Schoß, Romantisierungen gibt es hier nicht.

1633 herrscht in einem kleinen Dorf in den italienischen Alpen die Inquisition

Alles spielt in einem kleinen, alt eingesessenen Dorf in den italienischen Alpen. Mittelpunkt ist das Jahr 1633, in dem die Bewahrung des Glaubens an Gott eine große Rolle spielt und das Ränkespiel der Inquisition in vollem Gange ist. Wer die Lehren der Kirche missachtet, umdeutet oder am vorgeschriebenen Weltbild rüttelt, wird gnadenlos verfolgt und verurteilt. Auch Susanna ereilt das Schicksal, im Kerker zu landen. Die Umstände sind mehr als nebulös. Sie wurde vom Bäckersjungen blutgetränkt am Boden kniend gefunden. Ihr toter Mann saß gefesselt auf einem Stuhl und draußen fand man die Leiche der Dienstmagd. Alles spricht für Susanna als Täterin. Daniele, der sich von der Gesellschaft abgewandt hat, lebt abseits im Wald als „Hüter der Wölfe“ und wird von allen gemieden. Als ihn zwei alte Vertraute aufsuchen und von Susannas Verhaftung erzählen, muss er sich aufmachen, um herauszufinden was geschehen ist. Aus alten Tagen hat er noch Verbindungen zum Bischof und zu Inquisitoren, was er eigentlich gerne vergessen würde.

Zeitsprünge, die den Lesefluss aber nicht behindern

Beim Lesen springt man in den Jahren zwischen 1610, als die beiden Protagonisten noch Kinder sind, und 1633, als Susanna als erwachsene Frau verhaftet wird. Die beiden Zeitebenen lassen sich gut miteinander verknüpfen und es ist nicht schwierig, sich immer in die jeweilige Ebene herein zu versetzen. Einzelne Geschehnisse werden erzählt, mit Dialogen bestückt und Gedanken und Gefühlen getränkt. Es entsteht ein fiktives Zeugnis des Aberglaubens, der Abkehr von Fortschritt und neuen Weltbildern und der Standfestigkeit alteingesessener Traditionen. Aber auch Gegenstimmen, Gegen-den-Strom-SchwimmerInnen, dem System sehr ungemütliche Figuren, spielen eine große Rolle, denn ohne das Ränkespiel von Gut gegen Böse hat eine Geschichte solch eines Ausmaßes keine Aussagekraft.

Zwischendurch ein paar Längen und das Verlieren in Einzelheiten

Zwischendurch hat der Roman doch leider schon ein paar Längen, bis es zum aufregenden Ende kommt. Manchmal verliert sich der Autor in Episoden, die nicht ganz so vieler Worte bedürfen und das Überlesen einiger Passagen machen da nichts aus. Doch auch dies ist typisch für den Schreibstil des Autors, was sich schon in den vorherigen Romanen bemerkbar machte. Wenn man das beim Lesen einordnen kann und auch weiß, ist es aber kein allzu großes Problem.

Fazit

Der neue Roman des italienischen Autors Luca di Fulvio, der auch wieder in Italien spielt, charakterstarke Figuren einbaut, eine Rahmenhandlung schafft, die durch Konflikte gezeichnet ist, wird LeserInnen, die seine Werke verfolgen nicht überraschen. Das Grundgerüst seiner Geschichten ähnelt sich, die Inhalte und Figuren wechseln natürlich. Wer genau das erwartet, der wird auch hier nicht enttäuscht. Wer aber zum ersten Mal einen Roman  des Autors in der Hand hält, hat leider nicht seinen besten ausgesucht.

Das verborgene Paradies

Luca Di Fulvio, Bastei Lübbe

Das verborgene Paradies

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