Das Mädchen mit dem roten Zopf

  • Piper
  • Erschienen: März 2023
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Das Mädchen mit dem roten Zopf
Das Mädchen mit dem roten Zopf
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Julian Hübecker
971001

Belletristik-Couch Rezension vonMai 2023

Ein Roman, den man so schnell nicht vergisst.

Rosi Grünstein hätte es nie für möglich gehalten, dass sie einmal ihr Leben in Crasna würde aufgeben müssen. Die Familie stand für sie immer an erster Stelle, doch plötzlich werden sie im Zweiten Weltkrieg auseinandergerissen. Als Jüdin soll sie zum Arbeiten und Sterben nach Auschwitz kommen. Sie überlebt das Unmögliche – und ist bereit, ihre Geschichte über ihre Enkelin erzählen zu lassen ...

„Das Leben geht weiter. Ich wollte es nicht glauben, aber es geht weiter.“

Das beschauliche Leben findet 1944 in Crasna an der rumänisch-ungarischen Grenze ein jähes Ende: Die Nationalsozialisten rücken immer weiter nach Osten vor und machen auch vor kleinen Ortschaften nicht Halt. Ihr Ziel: jegliches jüdische Leben auszulöschen. Als Rosi mit ihrer Schwester Lea, ihrem Bruder Jecheskel und ihrer Mutter deportiert wird, glaubt die Familie noch, für ein paar Monate zwangsarbeiten zu müssen, ehe das Ende des Krieges ihnen wieder erlaubt, in die Heimat zurückzukehren.

Auf die Odyssee, die sie erwartet, sind sie jedoch nicht vorbereitet: Die Brutalität der SS-Männer und -Frauen zeigt sich tagtäglich. Vor allem Jüdinnen und Juden aus gutem Hause sind dem wiederholten Spott, den Demütigungen bis hin zu körperlichen Angriffen hilflos ausgeliefert. Viele sterben. Rosi wächst dagegen in ärmlicheren Verhältnissen auf und entgeht erst den Attacken.

Schließlich wird die Familie nach Auschwitz gebracht. Während Rosi und Lea auf die eine Seite gebracht werden und in ein Frauenlager kommen, müssen Jecheskel und die Mutter auf die andere Seite – was das bedeutet, wird den Schwestern erst nach dem Krieg vollends klar. Das Leben in Auschwitz ist hart: Täglich sterben Mädchen, ob an Hunger, harter Arbeit, Krankheit oder der brutalen Willkür der SS-Mannschaft. Doch Rosi hat sich geschworen, wieder nach Hause zurückzukehren. Halt geben ihr Gedanken an glücklichere Tage, als die Familie nicht viel hatte, aber stets Freude und Glück der Lebensmittelpunkt waren.

„Lasst die Toten ihre Toten begraben, aber solange ich lebe, muss ich leben und glücklich sein.“

Geschrieben hat dieses unfassbar emotionale Buch die Enkelin von Rosi Grünstein. Ihre unglaubliche Geschichte steht stellvertretend für hunderttausende Jüdinnen und Juden, die Unaussprechliches erlebt haben. Viele starben, manche überlebten jedoch. So auch Rosi und ihre Schwester Lea, die immer versuchten, das Glück im Herzen zu behalten. Besonders auffallend ist, wie gut Nechama Birnbaum Emotionen in die Geschichte bringt. Vordergründig geht es natürlich um Liebe, Mitgefühl und Erinnerungen an bessere Zeiten. Aber da sind auch der Hass, die Missgunst und das Böse im Herzen, die Rosi hautnah miterlebt hat.

Geschrieben wird die Geschichte abwechselnd aus der Sicht von Rosi im Jahr 1944-1945 sowie aus ihrer Kindheit. Zum einen liest man vom Schrecken, den die Schwestern in Auschwitz und Bergen-Belsen erlebt haben; zum anderen folgen Kapitel aus Kindheitstagen in Crasna. Man begleitet ein Mädchen, das gerne in der Natur spielt, das ihren Großvater über alles liebt, das zu ihrer Mutter aufschaut und im Ort sehr beliebt ist. Dieser Wechsel aus guten und schlechten Gefühlen ist nicht leicht zu verdauen, zeigt aber sehr eindrücklich, wie schnell ein sorgloses Leben in das absolute Grauen abdriften kann.

Berührend arbeitet Nechama Birnbaum die Geschichte ihrer Großmutter auf. Sie beschönt nichts, lässt aber dafür die Hoffnung und die Freude vergangener Tage umso heller erscheinen. Das ist es, was die Geschichte so gelungen und authentisch macht.

Fazit

Die Geschichte einer jungen Frau, die aus dem Leben gerissen wird und sich in der Hoffnungslosigkeit von Auschwitz wiederfindet. So berührend wie packend erzählt ihre Enkelin von dem Grauen, das sie erleben musste, aber auch von einer Hoffnung, die sie am Leben gehalten hat. Eine unbedingte Empfehlung!

Das Mädchen mit dem roten Zopf

Nechama Birnbaum, Piper

Das Mädchen mit dem roten Zopf

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