Erbsünde

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Sandra Dickhaus
881001

Belletristik-Couch Rezension vonJun 2023

Ein Spagat zwischen Leben, Freiheit und Sucht nach dem Extremen

Kann ein Mensch von Geburt an sündhaft sein? Gibt es diese Urschuld, die durch Adam und Eva im Paradies herbeigeführt worden sein soll, wirklich?

Eine Autobiographie, die es in sich hat: Der Autor Matt Rowland Hill wurde 1984 in Südwales in eine streng religiöse Familie geboren, in der der Vater als Baptistenpfarrer tätig ist. Es handelt sich hier um den Debütroman des Autors, obwohl er als Journalist und Literaturkritiker schon etliche eigene Schriften verfasst hat. Dieser autobiographische Roman ist aber etwas Besonderes und so liest er sich auch. Der Autor nimmt absolut kein Blatt vor den Mund, erzählt bildreich und völlig ungeschönt von seinem Leben, das sich immer in Extremen darstellen lässt, erst als absolut und unumstößlich religiös und dann als unumgänglich drogensüchtig.

Viel hilft viel! Wirklich?

Schonungslos ehrlich, teilweise fast zu ehrlich für das Gemüt der Lesenden, erzählt er seine Geschichte von der Kindheit an. Dabei steigt er direkt zu Beginn ein, indem er eine Szene auf der Beerdigung seines drogenabhängigen Freundes erzählt, als er sich auf der Toilette mit Heroin zudröhnt und die richtige Dosis überschreitet. Frei nach dem Motto: Viel hilft viel! So lässt er uns auch an den peinlichen Momenten teilhaben, wie sie sein Leben als Drogenabhängiger geprägt haben. Nämlich Momente, in denen er sich selbst verliert, er völlig in der Hand seines neuen Gottes und Herrschers „Heroin“ liegt.

Wortgewaltige Dialoge, der Drang nach Freiheit und das Rutschen von einer Sucht in die andere

Viele Momente, die der Autor mit uns teilt, leben von Dialogen, insbesondere in seinem Elternhaus. Seine Eltern streiten sich unentwegt, können sich nicht ausstehen und werfen sich etliche Bibelverse an den Kopf. Seine Kindheit ist geprägt vom Glauben an Gott, seiner Religion, die ihm seine Eltern aufzwingen. Es handelt sich aber nicht um eine Religion, die Gott als den Liebenden, Fürsorglichen ansieht, sondern als eine Religion, die den Einzelnen massiv unter Druck setzt. Als Jugendlicher beginnt er zu zweifeln, verspürt den intensiven Drang nach Freiheit, sowohl innerlich als auch äußerlich. Er rebelliert, strebt Individualität an, vermag es aber nicht ohne selbstzerstörerische Tendenzen umzusetzen. Während seines Studiums trinkt er zunächst Alkohol, versucht sich mit Sex, konsumiert leichte Drogen und möchte sich ausleben.

Diese eigentlich niemals dagewesene Freiheit endet schnell in einer Überdosis Heroin und er findet sich bei seinem ersten Entzug wieder. Das soll nicht der einzige gewesen sein, viele folgen.

Fazit

Matt Rowland Hill lässt uns an seinem Leben teilhaben, führt uns in Situationen, in denen er versucht, sich selbst zu finden, zu spüren und erhält nach und nach die Erkenntnis, dass er von einer extremen Sucht in die andere geraten ist. Eine wirkliche Stärke seiner Persönlichkeit ist, dass er trotz aller Widrigkeiten niemandem die Schuld zuschiebt, weder seinen Eltern, seinen Freunden noch Gott. Also insgesamt eine Autobiographie, die man nicht in einem Rutsch durchlesen kann, die keine Gemütlichkeit verspricht, aber gerade das soll so sein!

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