Die Bücher, der Junge und die Nacht

  • Knaur
  • Erschienen: November 2022
  • 3
Die Bücher, der Junge und die Nacht
Die Bücher, der Junge und die Nacht
Wertung wird geladen
Carola Krauße-Reim
901001

Belletristik-Couch Rezension vonJan 2023

Fantastische Geschichte!

Kai Meyer dürfte vor allem einer Leserschaft bekannt sein, die auch gerne einmal phantastische Romane liest. Der Autor und Mitbegründer des Phantastik-Autoren-Netzwerkes (PAN) hat neben zahlreichen Serien und Einzelromanen auch Drehbücher verfasst. Seine Werke erhielten Auszeichnungen und Adaptionen unterschiedlichster Art. Mit „Die Bücher, der Junge und die Nacht“ hat er nun eine wahre Ode an das Buch geschrieben und zudem das Graphische Viertel in Leipzig auferstehen lassen.

Robert sucht nach der  Wahrheit

Am 4.12.1943 wird die Buchbinderei Steinfeld in Leipzig durch Bomben völlig zerstört. In den Trümmern stirbt ihr Inhaber Jakob Steinfeld. Daher ist sein Sohn Robert sehr erstaunt, als er 1971 angebliche Steinfeld-Bindungen aus der Zeit nach der Bombennacht entdeckt. Zusammen mit Freundin und Bibliothekarin Marie will er dieses Rätsel lösen. Doch die Suche führt auch zu zwei Werken, die schon damals sehr mysteriös waren und bis jetzt scheinbar mehr als ein Menschenleben kosteten.

Diverse Zeitebenen ergeben ein Ganzes

Gekonnt verknüpft Meyer unterschiedliche Zeitebenen: Die Zeit um 1933 als Jakob Steinfeld im Graphischen Viertel Leipzigs Bücher bindet, eine kleine Buchhandlung betreibt und langsam die Macht der Nazis zu spüren bekommt; die Erlebnisse Roberts während und nach der Bombennacht 1943; die Suche nach der Lösung des Rätsels 1971 und das Jahr 1990, das zeigt, was nach der Auflösung noch geschah. Dabei fängt er ganz geruhsam an zu erzählen, erweitert den Horizont immer mehr, verknüpft erst relativ Offensichtliches, um dann immer mehr Details preiszugeben, die in unverhoffte Wendungen gepackt, den Roman spannend und extrem packend machen. Trotz einiger Schwächen im Detail, die aber kaum ins Gewicht fallen, kann man die Geschichte nicht mehr aus der Hand legen. Die Leserschaft wird gerade 1933 und 1943 in eine Zeit geführt, die längst Vergangenes wieder auferstehen lässt. Meyer hat sehr gute Recherchearbeit geleistet. Das in unserer Zeit kaum noch bekannte Graphische Viertel in Leipzig mit den unzähligen Verlagen, Buchdruckereien und Lagern wird zu neuem Leben erweckt. Man fragt sich unweigerlich, wie es dort wohl ausgesehen haben mag, wo es genau lag und was davon vielleicht heute noch zu sehen ist. Genauso packend ist seine Zerstörung 1943 und seine Schattenexistenz 1971 beschrieben. Leider beschränkt Meyer die Beschreibung Deutschlands 1971 auf nur wenige Hinweise zur Teilung und geht dafür mehr auf Schlaghosen und lange Haare ein. Hier wäre ein bisschen mehr Detail schön gewesen – doch das ist Jammern auf hohem Niveau.

Die Figuren sind genauso phantastisch, wie die Handlung

Bei einem Werk aus der Feder Kai Meyers darf natürlich das Phantastische nicht zu kurz kommen. Geschickt baut er mystische Elemente in seine Geschichte ein, die aber nicht nur dem Plot einen okkulten Touch geben, sondern auch die Figuren nahezu magisch machen. Es gibt Geheimbünde, skurrile Gestalten, den ein oder anderen sehr fragwürdigen Charakter und vielleicht spielt sogar der Teufel eine Rolle. Gerade Robert, seine Vergangenheit und seine Herkunft sind sehr geheimnisumwittert. Da bleibt es nicht aus, dass die Logik manchmal auf der Strecke bleibt und man sich fragt, warum ein 10-Jähriger ausgerechnet die maßgeblichen Details seiner Kindheit fast vergessen zu haben scheint oder warum niemand aus seiner Vergangenheit schon früher an ihn herangetreten ist. Auch die anderen Figuren sind zwar hervorragend gezeichnet, lassen aber dennoch Fragen offen: Wer war Roberts Stiefmutter eigentlich und in welcher Beziehung stand sie zum Bibliothekar Flügelschlag ist so eine Frage. Und Flügelschlag selbst bleibt ein Mysterium durch durch, obwohl gerade bei ihm ein wenig mehr Information noch mehr Spannung generiert hätte. Dennoch hat Meyer wieder einmal eine packende Geschichte geschrieben, die zwar unglaublich erscheint, aber dennoch nach den fast 500 Seiten die Frage „Könnte es so etwas tatsächlich gegeben haben?“ zulässt.

Fazit

Eine wunderbare Geschichte für alle, die Bücher lieben! Kai Meyer verknüpft phantastisch-mystische Momente mit historischen Gegebenheiten und schafft so eine packende Geschichte, die man kaum aus der Hand legen kann. Eine absolute Leseempfehlung!

Die Bücher, der Junge und die Nacht

Kai Meyer, Knaur

Die Bücher, der Junge und die Nacht

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Die Bücher, der Junge und die Nacht«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Film & Kino:
The Crown - Staffel 3

Die Queen in ihrer vordergründig repräsentativen Rolle ist eine zeitgeschichtliche Ikone, sodass der Erfolg der seit 2016 bei Netflix laufenden Serie „The Crown“ nicht verwundert. Die dritte Staffel markiert allerdings einen Umbruch: Die Royal Family ist in den 60er-Jahren angekommen und viele Rollen werden neu besetzt, da auch die Blaublüter nicht vor dem Altern gefeit sind. Titel-Motiv: © Des Willie / Netflix

zur Film-Kritik