Kinder des Aufbruchs

  • Diana
  • Erschienen: November 2022
  • 1
Kinder des Aufbruchs
Kinder des Aufbruchs
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Laura Müller
861001

Belletristik-Couch Rezension vonDez 2022

Deutsche Geschichte in Häppchen

Emma

Emma ist Dolmetscherin und floh mit ihrem Mann nach West-Berlin, ehe die Mauer gebaut wurde. Ihrer Zwillingsschwestern Alice war die Flucht erst nach dem Mauerbau gelungen. Emmas Ehe wird von einem unerfüllten Kinderwunsch überschattet. Als sich plötzlich eine frühere Affäre bei ihrem Mann meldet und ihm mitteilt, dass er eine erwachsene Tochter hat, wird ihre Beziehung auf die Probe gestellt.

Alice

Alice ist noch von ihrer Flucht vor sechs Jahren traumatisiert. Immer wieder fühlt sie sich verfolgt oder beobachtet und empfindet Schulgefühle gegenüber anderen DDR-Bürgern, die sie gezwungen war zu verraten.

Gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Tochter lebt sie in West-Berlin und arbeitet als Journalistin. Als sie eines Tages einen alten DDR-Freund auf einer Demonstration trifft, wittert sie die Chance, ihre vergangenen Fehler wieder gut zu machen.

Verrat und Spionage

Eines Tages lernt Emma durch Zufall die ehemalige Freundin von Alice, Irma Assmann, kennen. Ihr war es erst kürzlich gelungen aus der DDR zu fliehen und ihr Interesse an Alice scheint enorm.

Als Emma Alice davon erzählt, wird diese misstrauisch und wittert sofort Spionage.

Dass sie aus journalistischem aber auch privatem Interesse engen Kontakt zu Fluchthilfe-Organisationen pflegt, darf auf keinen Fall ans Licht kommen, denn Irma pflegte in der DDR enge Beziehungen zum KGB und für Alice steht schnell fest: Irma muss als Informantin im Westen eingeschleust worden sein.

Sie vermeidet jeglichen Kontakt zu ihr, aber seltsamerweise kreuzen sich ihre Wege immer wieder. Als Irma sie verstört um Hilfe bittet, weist sie sie ab, ohne zu wissen, dass dies ihr letztes Treffen gewesen sein wird.

Gut recherchiert - spannend geschrieben

West-Berlin ist in den 60er Jahren Schauplatz verschiedener geheimdienstlicher Operationen. Die linke Studentenbewegung in der Bundesrepublik wird auch von Seiten der DDR interessiert verfolgt und man versucht Einfluss zu nehmen, denn eine Destabilisierung der jungen Demokratie der Bundesrepublik erscheint zu verlockend. Und innerhalb der Studentenbewegung brodelt es tatsächlich gewaltig. Inmitten des Kalten Kriegs fordert die Nachkriegsgeneration den Beginn einer neuen Ära. Als es beim Schar-Besuch zu gewaltsamen Ausschreitungen kommt und Rudi Dutschke von einem Polizisten erschossen wird, droht die Situation außer Kontrolle zu geraten.

Claire Winter gelingt mit dem zweiten Band über die Zwillingsschwestern ein grandioser Spagat zwischen Fiktion und Historie. Die erfundenen Protagonisten bewegen sich auf einer wahren historischen Bühne und werden so zum Exemplum einer Generation, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg neu finden musste, mit alten Traditionen brechen wollte und zugleich den enormen außenpolitischen Spannungen des Kalten Krieges ausgesetzt war.

Leichtfüßig und sprachlich spannend aufgeladen, erzählt Claire Winter die Geschichte einer ganzen Nation, in die der Leser unbekümmert eintauchen kann und in der er häppchenweise einen wesentlichen Teil neuester Deutscher Geschichte erfährt. „Kinder des Aufbruchs“ erzählt von Menschen, die Teil einer besseren Welt sein wollen. Sie sind frei aber zugleich äußerst verwundbar und haben Geheimnisse, die sie am liebsten ungeschehen machen würden.

Fazit

Bei diesem Buch handelt es sich um einen historischen Leseschatz.

Kinder des Aufbruchs

Claire Winter, Diana

Kinder des Aufbruchs

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