Die Mutter

  • Heyne
  • Erschienen: August 2023
  • 0
Die Mutter
Die Mutter
Wertung wird geladen
Carola Krauße-Reim
801001

Belletristik-Couch Rezension vonAug 2023

Eindringliche Schilderung politischer Gewalt in Kolumbien.

Melba Escobar ist eine der bedeutendsten Stimmen zeitgenössischer kolumbianischer Literatur. Die Journalistin und Autorin verfasst sowohl Sachbücher als auch Romane. „Die Kosmetikerin“ dürfte dabei ihr bisher wohl bekannteste Werk sein. Die politische Lage in Kolumbien und starke Frauengestalten stehen stets im Mittelpunkt des Geschehens. So auch in „Die Mutter“. Das Buch erschien bereits 2019 im Original und liegt jetzt in einer Übersetzung von Sybille Martin auf Deutsch vor.

Pedro wird vermisst

In einem Einkaufszentrum der kolumbianischen Hauptstadt Bogotà wird ein Sprengstoffanschlag verübt. Cecilias Sohn Pedro war dort, um ein Geschenk zu kaufen. Jetzt wird er vermisst. In den Stunden der Ungewissheit lässt Cecilia die Vergangenheit Revue passieren und hofft, Pedro bald wieder in die Arme schließen zu können. Doch dann wird behauptet, dass er den Anschlag verübt hat und Cecilia weiß nicht mehr, was sie glauben und hoffen soll.

Eine starke Frau erinnert sich

In einer sehr fordernden Sprache lässt Melba Escobar ihre Protagonistin die Geschichte selbst erzählen. Die Ich-Perspektive lässt viel Nähe zu dieser Frau zu, die in einem Land lebt, in dem ein Menschenleben nicht viel zählt. Cecilia erinnert sich zurück an Pedros Vater, dem unzuverlässigen Macho, der vor Pedros Geburt brutal aus dem Leben gerissen wurde. Die wahren Umstände hat Cecilia ihrem Sohn verschwiegen. Sie will ihn schützen, denn der Soziologie-Student ist durchaus zugänglich für die Ideen der linksgerichteten Guerillas. Deshalb wird sie im Laufe der Zeit auch immer unsicherer – war Pedro tatsächlich an dem Anschlag beteiligt oder wird er nur durch die rechtsgerichteten Paramilitärs als Attentäter propagiert um ihn mundtot zu machen, wie Pedros Freundin behauptet?

Escobar fesselt mit Cecilias Gedanken und Zweifeln an die Handlung, die das von politischer Gewalt geprägte Leben in Kolumbien zeigt. Die Rückblicke in die Vergangenheit lassen erahnen, warum Cecilias Lebensmittelpunkt ihr Sohn ist, aber auch, warum sie ihn eigentlich gar nicht mehr kennt. Sehr einfühlsam und dennoch mit Wucht beschreibt Escobar dieses problematische Verhältnis und lässt bis zum Schluss offen, welche Rolle Pedro in dem Ganzen tatsächlich spielt.

Gewalt ist alltäglich und allgegenwärtig

Immer wieder gerät Kolumbien mit Berichten über Gewalt in die Schlagzeilen. Nicht nur die Drogenmafia macht das Leben der Menschen schwer, auch politische Gewalt ist an der Tagesordnung. Obwohl die Rebellen sich mit der Regierung geeinigt haben, kommt das Land nicht zur Ruhe. Immer wieder denkt Cecilia an die Bedrohung durch die linken Guerillagruppen oder die rechten Paramilitärs. Es ist daher gut, sich mit dieser Geschichte zumindest ein wenig auszukennen, wenn man die Handlung im Buch gut nachvollziehen können will. Auch wäre es gut, sich gewisse geographische Kenntnisse anzueignen, denn oft werden Ortsnamen genannt, die nicht unbedingt bekannt sein dürften. Aber das mindert die Eindringlichkeit der Handlung nur marginal. Die Gedanken Cecilias beschreiben nicht nur ihre eigene Situation, sondern die Situation des ganzen Landes. Machismus, Armut, Gewalt und soziale Ungerechtigkeit sind nur einige der Themen die Escobar anschneidet. Herausgekommen ist wieder einmal ebenso tiefgründiger wie auch packender Roman, der auf knapp 260 Seiten die ganze Verzweiflung einer Mutter und das Porträt eines ganzen Landes zeigt.  

Fazit

Eine starke Frau wankt zwischen Sorge und Hoffnung. Melba Escobar zeichnet mit der Mutter-Sohn-Beziehung das Porträt eines ganzen Landes, das geprägt ist durch politische Brutalität. Eindringlich, fordernd, packend und dennoch sehr einfühlsam!

Die Mutter

Melba Escobar, Heyne

Die Mutter

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Die Mutter«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Film & Kino:
The Crown - Staffel 3

Die Queen in ihrer vordergründig repräsentativen Rolle ist eine zeitgeschichtliche Ikone, sodass der Erfolg der seit 2016 bei Netflix laufenden Serie „The Crown“ nicht verwundert. Die dritte Staffel markiert allerdings einen Umbruch: Die Royal Family ist in den 60er-Jahren angekommen und viele Rollen werden neu besetzt, da auch die Blaublüter nicht vor dem Altern gefeit sind. Titel-Motiv: © Des Willie / Netflix

zur Film-Kritik