Fischers Frau

Fischers Frau
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Monika Wenger
891001

Belletristik-Couch Rezension vonOkt 2022

Aussergewöhnlicher Teppich

Ein einzigartiger Teppich findet seinen Weg in die Universität Greifswald in das Büro der Faserarchäologin Mia Sund. Unterschiedliche Grüntöne machen ihn zu einem besonderen Stück. Mia Sunds Kollege meint, dass es sich um einen Pommerschen Fischerteppich handeln könnte. Seine Farbgebung sei jedoch ungewöhnlich, da früher eigentlich eher Brauntöne verwendet wurden. Der hingeworfene Satz «Nicht, dass es eine Fälschung ist.» (Quelle: Roman) löst bei Mia eine Art Kettenreaktion von Gedanken und Gefühlen aus.

«…und nahm das Gefühl mit, dass die Vergangenheit ihr schattenhaft folgte, als hätte sie, nur weil man einmal miteinander gesprochen hatte, gleich ein Anrecht auf Wohngemeinschaft erworben.» (Quelle: Roman)

Der eindrucksvolle Teppich, mit seiner versteckten Signatur in der Borte, bringt Mias Leben durcheinander. Nicht nur, dass das Kunstwerk ihr Interesse nach seiner Herkunft geweckt hat, sondern auch der achtlos dahingesagte Satz ihres Kollegen beschäftigen Mia. Sie erinnert sich eines kurzen Intermezzos auf einem WG-Bauernhof, wo sie sich mit Gleichgesinnten an Fälschungen wagte und sie weit weg von ihrem Zuhause in einer Art heilen Blase lebte. Mia beschliesst, die Echtheit des Kunstwerkes zu prüfen und Spuren der Herkunft zu finden.

Historisch belegt und poetisch verarbeitet

Karin Kalisa verbindet in ihrem Roman «Fischers Frau» die Geschichte der Pommerschen Fischerteppiche mit der Vergangenheitsbewältigung der Hauptfigur Mia Sund. Nebst den zahlreichen interessanten historischen Details zur Teppichknüpfkunst und dem Leben der Fischer am Baltischen Meer, verknüpft die Autorin geschickt und poetisch die Entwicklung von Mia. Sie, die durch traumatische Kindheitserinnerungen in allen Dingen einen Mittelweg als stabile Lebensgrundlage bevorzugt, muss sich besonderen Ereignissen stellen und Entscheidungen treffen. Die Verarbeitung meistert sie, indem sie eine zum Teil erfundene Geschichte niederschreibt und die Fäden bis in die Gegenwart miteinander verknüpft. Es entsteht ihr eigener, imaginärer Teppich.

«Dass man jemanden, den man im Gewebe der Welt gefunden hatte, im Netz der Welt noch einmal finden musste, um ihn tatsächlich sein zu lassen. Als ob ein Papier oder ein digitaler Eintrag realer wäre als die Wollfaden-Signatur eines Teppichs. Als ob Geburts- und Sterbedaten mehr über einen Menschen sagten, als die Muster, die er hinterlassen hat.» (Quelle: Roman)

Die Besonderheiten von Karin Kalisas Sprache brauchen eine gewisse Eingewöhnung. Sie verändert sich im Verlaufe der Geschichte und unterstreicht die Aussagekraft und das Poetische. Sprachgewandt, feinfühlig und sehr gut recherchiert, folgt man den Fäden und Verknüpfungen. Vergangenheit und Gegenwart werden miteinander verwoben und hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Wunderschön!

Fazit

Verschiedenste Verknüpfungen und ein wiederkehrendes Verweben von Vergangenem und Gegenwärtigem prägen diesen Roman von Karin Kalisa. Poetisch, tiefgründig und gleichzeitig fliessend wie das Wasser der Ostsee ist die Geschichte von Mia, Nina und den Fischerteppichen. Sagenhaft schön!

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