Die Marschallin

Die Marschallin
Die Marschallin
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Carola Krauße-Reim
651001

Belletristik-Couch Rezension vonJan 1970

Eine slowenisch-italienische Familiengeschichte

Zora del Buono ist in Zürich geboren, hat dort Architektur studiert und mehrere Jahre als Bauleiterin in Berlin gearbeitet. Dann wandte sie sich dem Schreiben zu, war Mitbegründerin der Zeitschrift „Mare“. „Die Marschallin“ ist ihr achtes Buch, das bereits 2020 als Hardcover veröffentlicht wurde.

Zora – Slowenin und Kommunistin

Zora Ostan erlebt im heimischen Bovec den 1. Weltkrieg. Weil die Italiener diesen Teil Sloweniens okkupieren und die einheimische Bevölkerung unterdrücken, wird die Heirat zwischen Zora und dem sizilianischen Arzt Pietro del Buono mit Ablehnung betrachtet. Doch Zora weiß sich zu behaupten, zieht mit ihrem Mann erst nach Neapel und dann nach Bari, wo ihr Mann eine radiologische Praxis etabliert und sie in großbürgerlichen Verhältnissen leben. Zora und Pietro verehren Tito, sind überzeugte Kommunisten. Sie engagieren sich im Widerstand gegen Mussolini und seine Faschisten und unterstützen Tito – was ihnen zum Verhängnis werden soll.

Inhaltlich wird wenig geboten

Del Buono erzählt die Geschichte ihrer Großmutter von 1919 bis zu ihrem Tod 1980. Dabei geht sie mit teilweise großen Zeitabständen chronologisch vor. Was für Familienmitglieder bestimmt interessant ist und vielleicht von ihnen auch als außergewöhnlich angesehen wird, kann für Außenstehende aber genau das Gegenteil sein. Gerade, wenn die Liebe der Protagonistin zum Kommunismus aus jeder Seite schreit und ihre Verehrung Titos schon fast manisch wird, fällt es schwer dem Geschehen etwas abwechslungsreich Aussagekräftiges abzugewinnen.

Zeitgleich sollte man die Geschichte Sloweniens und auch Italiens nach dem 1. Weltkrieg kennen, um überhaupt den Überblick zu bewahren, denn hier wird wenig erklärt und viel Kenntnis vorausgesetzt. Gerade was „das Ereignis“ angeht, hätte eine eingehende Beschreibung und nicht nur nebulöse Andeutungen gutgetan. Über die Zeit als diese Vorkommnisse noch, und auch dann nur vielleicht, einen unnatürlichen Tod provozierten, dürften wir doch hinaus sein. Wenn man die tatsächliche Handlung des Buches zusammenfassen müsste, kämen dabei sehr viel weniger als die vorliegenden mehr als 370 Seiten heraus. Und auch die Charaktere können hier nicht mehr viel reißen.

Eher fragwürdige Familienmitglieder

Im Mittelpunkt des Geschehens steht die Großmutter der Autorin mit gleichem Namen. Del Buono beschreibt sie als eine durchsetzungsfähige Frau, die mit ihrer Klugheit und ihrem Temperament als Mann mehr hätte erreichen können:

„Wäre sie ein Mann gewesen, sie wäre Major geworden, eher noch Marschall, vielleicht sogar Staatspräsident“.

Durch diese Mystifizierung gleich zu Beginn des Buches legt die Autorin die Messlatte für ihre Großmutter sehr hoch an. Desto tiefer stürzt Zora im Laufe der Geschichte. Sie entpuppt sich als absolut unsympathische, herrische Person, die niemanden neben sich duldet, sogar ihre Kinder nur als 1,2 oder 3 betitelt. Sie macht den Schwiegertöchtern das Leben genauso zur Hölle, wie dem Hauspersonal und beherrscht die Verwandtschaft, wie auch ihren Ehemann. Als Salonkommunistin propagiert sie zwar die Ideale der Partei bei jeder sich nur auftuenden Gelegenheit, lebt aber selbst in einer Villa in extravagantem Luxus. Was war also das Besondere an dieser Person, das eine Romanbiografie rechtfertigen würde?

Auch Pietro del Buono hat nicht wirklich etwas außergewöhnliches aufzuweisen. Zwar hatte er persönlichen Kontakt zu Tito, hat ihn medizinisch beraten, doch für jeden, der Tito nicht vergöttlicht, ist das kaum erwähnenswert. Auch die anderen sehr zahlreichen Figuren lassen kaum tieferen Blick zu, bleiben als Charaktere farblos. Die Familie del Buono hat alles Recht einen anderen, subjektiven Blick auf die Vergangenheit ihrer Familie zu haben, doch dürfte es der außenstehenden Leserschaft schwer fallen diese Begeisterung zu teilen.

Fazit

„Die Marschallin“ kann als Familiengeschichte nicht überzeugen. Die wenigen wirklichen Besonderheiten im Leben der Familien Ostan und del Buono gehen im ansonsten kaum erwähnenswerten Einerlei einer kommunistisch überzeugten Familie unter. Zora, „die Marschallin“, schreckt noch zusätzlich durch ihren dominant herrischen und unsympathischen Charakter ab. 

Die Marschallin

Zora del Buono, Diogenes

Die Marschallin

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