Der Silberfuchs meiner Mutter

- HC, 219 Seiten

Der Silberfuchs meiner Mutter
Der Silberfuchs meiner Mutter
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Carola Krauße-Reim
751001

Belletristik-Couch Rezension vonJan 2022

Ein Monolog über mehr als 210 Seiten

Alois Hotschnig ist eine der bekanntesten zeitgenössischen Stimme der österreichischen Literatur. Seine Werke wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und werden mittlerweile bereits durch Sekundärliteratur näher beleuchtet. Das vorliegende neuste Werk findet seinen Ursprung in unzähligen Telefonaten mit dem Schauspieler Heinz Fitz, „der mir erlaubt hat, entlang seiner Lebens-Geschichte diesen Roman frei zu entwickeln“.

Heinz und seine Mutter

1942 reist die, von einem Wehrmachtssoldaten schwangere Gerd mit Hilfe der Lebensborn-Organisation von Kirkenes nach Hohenems, wo ihr Sohn Heinz zur Welt kommt. Aus gesundheitlichen Gründen muss sie ihr Kind zu einer Bauernfamilie in Pflege geben - die beiden sehen sich erst vier Jahre später wieder. Der Vater will von Gerd und seinem Sohn nichts mehr wissen und so sind die beiden lange auf sich gestellt. Sie erleben die Ablehnung der Österreicher genauso, wie die der Norweger Jahre später.

Eine Spurensuche nach 60 Jahren

Heinz lernt erst im Alter von 60 Jahren seinen leiblichen Vater kennen. Bis dahin hat dieser eine Begegnung mit ihm rigoros abgelehnt. Abgelehnt hat ihn auch sein Stiefvater, von dem er nur das Schlachten gelernt hat. Mutter Gerd, zeitlebens von Epilepsie-Anfälle geplagt und depressiv, hatte mit sich selbst zu kämpfen, konnte Heinz kaum ertragen.

„Meine Mutter hat mich nicht mit ihren Händen erwürgt. Abgeben ja, zurücklassen, ausgesetzt, wenn vielleicht auch gegen ihren Willen damals, gleich nach der Geburt. Aber ausgesetzt und getrieben war auch sie selbst.“

Heinz macht sich auf die Suche nach der Mutter, ihrem Wesen, ihrem Schicksal, das auch sein eigenes ist, und nach den Gründen für ihr Verhalten, denn das Zusammenleben hatte sehr dunkle Seiten, wenn sie des Lebens überdrüssig war, sich umbringen wollte oder ihn aufforderte sie zu töten. Es hatte aber auch schöne Seiten, wenn sie ihm Theaterstücke vorlas und mit ihm ins Kino ging, was seine Liebe zum Schauspiel begründete.

Erst als Heinz seine Halbschwester kennen lernt, erfährt er eine andere Seite des bisher als Fakt Angenommenen. Was ist damals tatsächlich geschehen? Hatte Vater Anton Halbsleben wirklich den stets propagierten bösen Part oder existiert eine andere Wahrheit, in der Mutter Gerd nicht nur das Opfer ist?

Eine fordernde und anstrengende Lektüre 

Der Roman fordert auf vielfältige Weise. Schon Heinz´ Lebensgeschichte ist düster und beklemmend zu verfolgen. Ein Kind ohne Halt und Liebe, mit einem Stiefvater, der das Schlachten liebt – Szenen, wie aus einem Horrorfilm tauchen vor dem Auge des Lesers auf – wächst zu einem wurzellosen Erwachsenen heran, den nur die Schauspielerei rettet, bevor er endgültig verloren ist.

Doch auch das zwischen den Zeilen angedeutete oder das im Umfeld ablaufende setzt zu: die Ablehnung der „norwegischen Hure“, das Euthanasie-Programm der Nazis, die Judenverfolgung und der Hass der Norweger auf die „Soldaten-Hure“. Alles Themen, die verdaut werden müssen. Aber nicht nur die düstere Grundstimmung fordert, Hotschnig hat die Form eines Monologes gewählt um seine Geschichte zu erzählen. Es hat den Anschein, als säße man Heinz gegenüber, wenn er erzählt oder hört ihm (wie der Autor mit Heinz Fitz tatsächlich) am Telefon zu. Das Geschriebene ähnelt einem Protokoll, ist in gesprochenem Deutsch abgefasst und lässt jede Schriftsprache vermissen.

„Als ich dann meiner Halbschwester, der Tochter vom Halbsleben, gesagt habe, vierzig Jahre danach, mehr als vierzig Jahre später, vorher wusste ich ja nichts von ihrer Existenz, habe ich sie danach gefragt, nach dem Selbstmord von meinem Onkel.“

Die Art und Weise, wie dieser Monolog gesetzt ist, erschwert die Lektüre. Zahlreiche Wörter sind kursiv geschrieben, was manchmal der Betonung durch den Erzähler geschuldet sein mag, oft genug aber ziemlich willkürlich erscheint: „Die selbstgefangenen Fische. Das Lagerfeuer. Die Lianen. Die Märchen. Und immer alles allein. Das heißt, eben nicht allein, denn im Kopf war ich ja nur bei den anderen“

Fazit

Eine beklemmende Lektüre, die auf der Lebensgeschichte des Schauspielers Heinz Fitz fußt und durch Alois Hotschnig in einem Monolog abgefasst ist, der die Leserschaft inhaltlich und stilistisch fordert. Eindeutig ein Buch für das man sich Zeit nehmen muss und das auch nach Beendigung noch lange im Kopf bleibt.

Der Silberfuchs meiner Mutter

Alois Hotschnig, Kiepenheuer & Witsch

Der Silberfuchs meiner Mutter

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