2001

- HC, 384 Seiten

2001
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Sandra Dickhaus
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Belletristik-Couch Rezension vonMai 2022

Am Rande der Gesellschaft – Pubertierende Jugendliche in der Provinz

Die 15jährige Julia rappt gerne, hasst den Tourismus in ihrem Provinznest namens Tal und gehört eher zum unteren Ende der Nahrungskette. Zusammen mit dem „Restmüll“ besucht sie die Hauptschule des kleinen Ortes und muss sich durchsetzen. Das Schulexperiment eines Lehrers, der allgemein eher als unbeliebt gilt, bringt so manches durcheinander und fördert noch mehr Unterschiede zutage. Hier geht es um eine Jugend um den Jahrtausendwechsel herum, die noch im Glauben ist, danach werde technisch alles zusammenbrechen. Geschickt bindet die Autorin Ereignisse und Personen der Weltpolitik mit ins Geschehen ein, ohne dass es aufdringlich wirkt.

Typische Begriffe, Musik und Wörter der 2000er

Wer die Zweitausender selbst erlebt hat, wird hier so einige Begriffe, Gegebenheiten oder Ausdrücke wiederfinden. Typisch für diese Zeit sind beispielsweise der Musiksender VIVA, das Nutzen eines Discmans, das unzerstörbare Nokia-Handy und das legendäre Snake-Spiel. Befremdlich wird dann auch nicht erscheinen, dass das Modem des Internets die Funktion des Festnetzes störte. Alles, was man schon fast vergessen zu haben scheint, wird hier humorig und frech auf dem Präsentierteller reserviert.

Die Konflikte in der Welt der Jugendlichen in einem kleinen Dorf, die von der Gesellschaft schon abgeschrieben und in eine passende Schublade gesteckt worden sind, werden durch die Figur Julia lebendig gemacht. Was soll man nur mit dem „Restmüll“ machen, der zwar ein Recht auf Bildung hat, aber dennoch nichts zu leisten vermag? Hiermit sind die Schülerinnen und Schüler gemeint, die, schon auf der als Schulform extrem abgewerteten Hauptschule gelandet sind, wenig Allgemeinbildung und Leistungsvermögen aufweisen können.

Symbolisch hierfür besetzen sie auch, natürlich nicht freiwillig, die unteren, hässlichen Klassenzimmer. Eine Außenseiterrolle, in die sie hier geschoben werden. Eltern spielen in der Erzählung keine wirkliche Rolle, Julia erwähnt ihren Bruder, der das Gymnasium besucht, und mit dem sie ihren Alltag bestreitet. Völlig auf sich gestellt und fast chancenlos wird hier ein Gesellschaftsbild vermittelt, das es so mit Sicherheit gibt.

Ein schroffes, unangepasstes Mädchen geht ihren Weg

Julia wächst einem beim Lesen, trotz ihrer schroffen, unangepassten Art, ans Herz – vielleicht auch gerade deswegen. Irgendwie spürt man doch, dass sie nicht auf der Sonnenseite des Lebens steht, aber das Beste daraus macht. Gerade ihre Aufmüpfigkeit lässt sie nicht untergehen.

Rap, Alkohol und Sex bieten auf dem Land Abwechslung, sonst gibt es ja nichts anderes. Ihre Sprache ist geprägt von örtlichen Begrifflichkeiten, Umgangssprache und Wörter, die Ohrensausen erzeugen. Diskriminierende Wörter wie „Homo“ oder „Mungo“ gehören zum normalen Sprachgebrauch der Jugendlichen. So betiteln sich die Freunde auch untereinander. Nur einer, der nach dem Abschluss auch das Gymnasium besuchen darf, scheint mehr Grips zu haben – Bene.

Bene gehört zu Julias Clique und er spricht aus, was man nicht sagen darf: Er ist homosexuell und wirft ihnen vor, nicht zu bemerken, wie sich mit diesen Ausdrücken selbst erniedrigen. Doch genau diese Sprache muss sein, um dem Geschehen den letzen Schliff zu geben.

Fazit

Unerbittlich, von der Gesellschaft in eine Außenseiterrolle gedrängt, erleben wir die Jugendliche Julia und ihre Clique in ihrem ungeschönten Alltag in Tal, einem kleinen Provinznest – trotz aller Härte, Schroffheit und fehlender Allgemeinbildung muss man sie einfach mögen.

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