August

  • Hanser
  • Erschienen: April 2021
  • 0

- HC, 240 Seiten

August
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Sandra Dickhaus
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Belletristik-Couch Rezension vonApr 2021

Schickimicki-Probleme, die gescheiterte Entspannung und ein Möchtegern-Esoteriker

Zwei Paare suchen mit ihren beiden Kindern die Erfüllung eines heißen Augusts auf Long Island. Sie sind aus Berlin weggezogen und wollten ihr Glück im Land der unbegrenzten Möglichkeiten versuchen. So leben Stefanie und Richard sowie Vera und Alec nun in New York - und werden vom Stress übermannt. Jetzt wollen sie sich endlich mal etwas gönnen: Einen Monat ausspannen, gut essen, die Strände der Hamptons besuchen, am Pool relaxen ... Doch irgendwie ist auch das nicht so, wie sie es sich vorgestellt haben - auch wenn es niemand so offen zugibt. Sich vom stressigen Alltag zu erholen und auszuspannen ist nicht immer so einfach; miteinander klarzukommen auch nicht: Die Sticheleien und unterschwelligen Meinungsverschiedenheiten mitten im vermeintlichen Luxus auszuhalten, muss man können. Dann lernt Stefanie einen Mann kennen, der für alle Wehwehchen und Problemchen der Superreichen ein Allheilmittel hat - das reicht von der Heilkraft verschiedener Pflanzen über gewöhnungsbedürftige Gymnastik bis hin zu dem Sekret eines exotischen Frosches. Immer mehr lässt sich Stefanie auf seine mehr als fragwürdigen Ansichten ein - und das kann nicht gut ausgehen ...

Ein Alltag, in dem nichts fehlt, aber eine große unterschwellige Leere herrscht

Ein Roman, der in den Alltag der Superreichen einführt: Man wagt einen Blick in die Hektik des Nichtstuns oder die Eifersucht gegenüber dem gut bezahlten Kindermädchen über chemische, krebserregende Inhaltsstoffe handelsüblicher Sonnencremes. Die zur Schau gestellte Borniertheit zeigt sich auch in der gekünstelten Ausdrucksweise Veras, die versucht, ihre Stimme beim Sprechen im Singsang zu halten; eine neumodische Angewohnheit, die sich als absolut hip herauszustellen scheint. Die Herren der Schöpfung werden als egozentrische, selbstverliebte und wenig reflektierte Ehemänner und Väter gezeichnet, die ihre Zeit im Auto verbringen, während ihre Frauen am Strand sitzen, warten und auf die Kinder aufpassen. Dabei ist auch die Spannung zwischen den beiden Müttern immer da; man respektiert sich in dem Maße, dass es für diese Auszeit sein muss, akzeptiert die Eigenheiten und Meinungen der jeweils anderen aber scheinbar nicht. Doch ganz offensichtlich ist in all dem Überfluss eine gewisse Leere vorhanden, die sich von Beginn an durch den Roman zieht: ob im Bungalow, auf der Terrasse, am Strand oder in der Stadt - es erscheint kein Augenblick der Ausgelassenheit. Auch über Eheprobleme wird scheinbar hinweg gelächelt; so beschwert sich Stefanie eines Tages in einem Augenblick der Vertrautheit bei ihrer Leidensgenossin Vera, mit welchen emotionalen Grausamkeiten ihr Mann sie bestrafe. Doch dieser Moment währt nur kurz - denn gleich darauf wird deutlich, dass sie sich in der Rolle der mildtätigen Ehefrau gefällt, die es bis hierher trotz aller Widrigkeiten geschafft hat. Vera bemerkt durchaus, welche Rolle Stefanie in dem Ganzen spielt und inwiefern sie sich über Richard durch ihre großzügige Vergebung zu erheben scheint. Da wird ihr klar: Sie will Richard verlassen - und zwar ohne, dass sie am Scheitern der Ehe Schuld zu sein vermag. Für Richard hat ihr der selbsternannte Guru eine Kur mit den Sekreten von Maki-Fröschen aus dem Amazonas empfohlen. Richard kommt demnach in den Genuss gnadenlos alternativer Behandlungen jeglicher Art, was die Freunde Alec und Vera zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen lässt. Zumindest hat Stefanie damit Kaunsler, dem Oberguru, Tür und Tor geöffnet, und er verbringt seine Zeit mit den beiden Familien.

Ein nüchterner und sachlicher Schreibstil

Es ist schwierig, sich mit den einzelnen Figuren zu identifizieren und in ihr Leben einzutauchen, da sie so weit ab der Realität leben. Auch der Schreibstil trägt dazu bei, da die Sätze teils sehr lang, verschachtelt und auch im Konjunktiv formuliert sind. Die Handlungsorte wechseln vom Pool zum Strand in die Stadt, und bieten keinen allzu großen örtlichen Radius. Die Gesprächsthemen der Figuren bewegen sich dafür umso weiter in die unterschiedlichsten Sphären: Da geht es um berühmte Schriftsteller, Baustile, Kommunen, Champagner-Marken, den Sinn oder Unsinn der Wirksamkeit von Globuli,und last but not least um die mehr als speziellen Tipps des esoterisch angehauchten Vorzeige-Möchtegern-Mentors der Superreichen. Auffällig ist, dass Richter dies alles schildert, ohne wirklich Emotionen zu nutzen. Der Stil seiner Beschreibungen und Dialoge ist nüchtern gehalten und offenkundig sachlich. Aufgrund der vielen aufkommenden Konflikte ist dies der Punkt, der das Buch nicht einfach so durchlesen lässt. Manche Szenen muss man sich mehrmals zu Gemüte führen, um sie zu durchdringen, und ihre Ernsthaftigkeit mit einer Spur von Ironie verstehen lernen.

Fazit

Fast grotesk und mitleiderregend zeichnet der Autor hier zwei superreiche Paare, die sich in ihrem exklusiven Feriendomizil erholen wollen. Doch leider bleibt die ersehnte Entspannung aus; stattdessen ergeben sich die unterschiedlichsten Themenfelder, denen die Figuren begegnen müssen. Um in die Geschichte hineintauchen zu können, benötigt man Zeit, Geduld und einen Funken Humor.

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