Rebecca

  • Audoba
  • Erschienen: März 2019
  • 1

- gelesen von Jens Wawrczeck

- 3 MP3-CDs (basierend auf der Ausgabe des Insel-Verlages von 2018, neu übersetzt von Christel Dormagen und Brigitte Heinrich)

- ursprünglich erschienen: 1938

- aufgenommen im TONSTUDIO24 in München (Regie: Irene Schuck, Ton: Helge Schwarz)

- Booklettexte von Monty Arnold, Christine Tapking und Jens Wawrczeck

- Goldbek Records / Indigo

Rebecca
Rebecca
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Yannic Niehr
751001

Belletristik-Couch Rezension vonNov 2020

Finsterer Klassiker frisch vertont

Monte Carlo in den 1930er Jahren: Eine junge, etwas naive und äußerst unsichere Amerikanerin (als Ich-Erzählerin durchgehend namenlos), die sich in den Diensten einer älteren Dame befindet, um sich zur Gesellschafterin ausbilden zu lassen, lernt den reichen Playboy Maxim de Winter kennen. Zum großen Erstaunen aller Beteiligten findet dieser tatsächlich Interesse an ihr, und es entspinnt sich eine verhaltene Romanze. Schließlich geschieht das Unglaubliche: Er nimmt sie mit auf seinen Landsitz Manderley an der britischen Küste, und sie wird die neue Mrs. de Winter.

Schnell jedoch beginnt dieses Schicksal, schwer auf ihren Schultern zu lasten – steht sie doch im Schatten von Maxims voriger Ehefrau Rebecca, die vor einem Jahr unter mysteriösen Umständen zu Tode kam. Das Gemäuer atmet immer noch Rebeccas Präsenz ein und aus, und nachts, wenn die Wellen an den zerklüfteten Felsen brechen, scheinen sie ihren Namen zu flüstern – Rebecca ist allgegenwärtig. Nur wenige Vertraute findet die Erzählerin unter Maxims verstreuter Sippschaft und den Bediensteten von Manderley. Allen voran die kühle, strenge Haushälterin Mrs. Danvers macht ihr das Leben schwer und lässt sie unmissverständlich spüren, dass sie hier nicht willkommen ist – denn für sie gibt es nur eine wahre Mrs. de Winter, und deren Name ist Rebecca. Mrs. Danvers‘ Verbissenheit und Intrigenspiel lassen für die Erzählerin die Luft auf Manderley deutlich erkalten. Doch hier ist nicht alles, wie es scheint - und schon bald kommt Unglaubliches ans Licht ...

„Vergangene Nacht träumte ich, ich wäre wieder in Manderley …“

Eine hübsche junge Frau, ein nebelverhangenes Anwesen, eine melodramatische Liebe, eine dunkle Obsession, ein erschütterndes Geheimnis – Daphne du Mauriers Rebecca kann mit allen Elementen aufwarten, die man von einem derart berühmten Klassiker der romantischen Schauerliteratur erwarten würde. Die undurchsichtige, vielschichtige und spannungsgeladene Story stützt sich auf das Thema Besessenheit (im menschlichen wie auch – andeutungsweise – im übernatürlichen Sinne) als eine der tragenden Säulen des Handlungskonstrukts – und lieferte damit eine perfekte Vorlage für den Altmeister des Suspense Alfred Hitchcock (lange bevor er sich mit Die Vögel erneut am Œuvre du Mauriers bediente). Eine Schlüsselszene aus der Verfilmung von 1940 ziert nicht nur das Cover dieser neuen Fassung, sondern inspirierte Schauspieler und Sprecher Jens Wawrczeck, wie er im informativen Booklet verrät, auch zu seiner Umsetzung des Stoffes im Rahmen der Reihe Verfilmt von Alfred Hitchcock (in welcher nach dem Motto „Zuerst der Roman – Dann der Film – Jetzt das Hörbuch“ u.a. bereits Titel wie Marnie, Cocktail für eine Leiche, Das Fenster zum Hof, Immer Ärger mit Harry und Vertigo bearbeitet wurden). Überhaupt ist die Hörbuchversion formschön gestaltet, passend zum Inhalt: schlicht, aber elegant. Im Laufe von über 17 Stunden nimmt sich Wawrczeck hier des Buches an und entführt den Hörer nach Manderley ...

„Sie ist die wahre Mrs. de Winter! Sie sind nur ein Schatten …“

Rebecca könnte aus heutiger Sicht schnell veraltet wirken; gerade die schüchterne Erzählerin erscheint zunächst wenig zeitgemäß. Allerdings scheut du Maurier sich nicht, auch unsympathische Figuren ins Feld zu führen und ihre Geschichte mit einem Prisma an Subtexten aufzuladen: Es geht um weibliche Unterdrückung und Emanzipation; um Selbstzerstörung und Selbstermächtigung; um Schatten der Vergangenheit, die wiederkehren und einen verfolgen können wie ein leibhaftiger Spuk, und aus deren Fängen sich zu befreien oftmals nur unter Strapazen möglich ist. Sogar eine tatsächliche Liebesgeschichte zwischen Rebecca und Mrs. Danvers ist eine beliebte moderne Interpretation. Ein Schuss Krimi rundet die düstere Mär ab. Dank dieser vermeintlich widersprüchlichen Nuancen kann das Werk immer noch faszinieren (was die Musicaladaption sowie das kürzlich erschienene, heutzutage scheinbar unvermeidliche Filmremake erklärt). Vor allem aber ist dies du Mauriers Stil zu verdanken, der das gespenstische Manderley heraufbeschwört und einen damit in seinen Bann zieht. Wawrzceck erweckt die üppige Prosa der Autorin zu neuem Leben.

„Wir alle haben unsere ganz eigenen Teufel – und wir alle müssen uns diesem Kampf stellen …“

Jens Wawrczeck verfügt über eine angenehme und einzigartige Stimme, die sich als äußerst wandlungsfähig erweist: mal samten und verführerisch, mal charmant, mal naiv, mal herrisch, mal melancholisch, mal eisig werden die verschiedenen Figuren in ihrer Tiefe glaubhaft dargestellt und ausgelotet. Allerdings kann man nicht umhin, sich bei einem derart atmosphärischen Stoff eine ebenso atmosphärische Produktion zu wünschen – ein wenig Geräuschkulisse oder zumindest musikalische Untermalung hätte dem Projekt definitiv gut getan (hier darf man gespannt sein, wie sich Verfilmt von Alfred Hitchcock noch entwickeln wird – denn weitere Teile sind bereits in Planung). Für den reinen Textgenuss braucht man jedoch nicht mehr als Wawrczecks Stimme, sodass sich ein schnörkelloser Gesamteindruck ergibt.

Fazit

Jens Wawrczecks Lesung bietet sowohl eine gelungene Alternative für Fans des Buches oder Hitch-Nerds, wie er es einer ist, als auch einen netten Einstieg für Neulinge, die das Werk erst kennenlernen wollen. Somit ist Rebecca - gerade für die kalte und dunkle Jahreszeit - ein empfehlenswerter Hörgenuss.

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